Photo by Hanohiki - Adobe Stock
Beförderungsanalysen im Dienste der nachhaltigen Mobilität
Umgestaltung und Restyling der italienischen BahnhöfeDie italienische Bahn-Gruppe FS steht an der Spitze eines wichtigen Investitionsprogramms für die Umgestaltung und das Restyling vieler mittlerer und großer Bahnhöfe, die in ganz Italien verstreut sind. Auch dank dieser Investitionen und des stetigen Ausbaus der nationalen und regionalen Bahndienste werden die Bahnhöfe immer mehr zu wesentlichen Zentren unserer Städte.
Das große Tabu Italiens, wo mehr als drei von fünf Italienern für ihre täglichen Fahrten das eigene Auto benutzen, scheint jedoch genau diese mühevoll erscheinende Aufgabe des Privatautos bzw. dessen Integration in die modale Verkehrskette zu einem wettbewerbsfähigeren öffentlichen Verkehr zu führen.
Es geht um eine Änderung des Gesichtspunkts: Die Bahnhöfe werden immer mehr zu zentralen Orten und müssen immer mehr eine Beförderungsalternative garantieren, die zugänglich, einfach und schnell ist.
In diesem Zusammenhang zielt die Strategie der FS-Gruppe auf die Umwandlung der bestehenden Bahnhöfe in intermodale Knotenpunkte und Dienstleistungs-Knotenpunkte ab, in der Überzeugung, dass diese Umwandlung positiv zur Sanierung, Umstrukturierung und Regenerierung der Stadtbezirke beitragen kann. Der Wille des Bahnunternehmens besteht darin, sich als größter nachhaltiger Mobilitätsbetreiber zu präsentieren und anzubieten, der in der Lage ist, eine funktionsgerechte, angenehme und schöne Beförderungsalternative zu bieten.
“„Architektur ist wirklich Wohlbefinden. Ich glaube, dass sich die Leute in einem Raum wohlfühlen wollen … Einerseits handelt es sich um einen Schutz, andererseits auch um einen Genuss” (Z. Hadid)
Ziel wird es sein, die Bahnhöfe zu Bestandteilen der Städte zu machen, die perfekt mit dem städtischen Gefüge verbunden sind, zu Trägern und Vertretern eines sozialen Werts und der Mobilität der Zukunft: nachhaltig und geteilt.
Die Vision der Bahnhöfe, an die wir gewöhnt sind, wird umgekrempelt, sie werden nicht mehr nur Bauten für eine reine Beförderungsdienstleistung sein, die dazu bestimmt sind, lediglich die Ankünfte und Abfahrten der Reisenden zu beherbergen; in ihnen wird es möglich sein, eine Kombination aus unterschiedlichen Gelegenheiten und Angeboten zu finden, die sich auch in der Notwendigkeit einer gewissen architektonischen Qualität offenbaren, bei der Form und Funktion nebeneinander existieren. Es ist klar, dass das Ziel in der Verfolgung einer integrierten architektonischen Schönheit besteht, die in perfektem Einklang und Harmonie mit dem Kontext steht, was sich jedoch alles kräftigen muss, um maximale Effizienz ohne Beeinträchtigung der Funktionalität und des Verlaufs der wichtigsten Zufahrtsstraßen sowie der Fußwege zu erreichen.
“Zwischen Architektur und Ingenieurwesen besteht kein Unterschied: sie laufen zusammen und bilden eine Kunst. Wenn man eine Kirche oder eine Brücke sieht, ist das, was effektiv existiert, ein Kunstwerk, das für jenen Ort und für jene Landschaft geschaffen wurde, und unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von einem Gemälde, einer Skulptur oder einer lyrischen Dichtung unserer Zeit” (S. Calatrava)
Die Bahnhöfe müssen in der Lage sein, die schlüssigsten und funktionsgerechtesten Dienstleistungen für die Benutzer anzubieten. Wir müssen daher über die Infrastruktur hinaus, über die Bahnhöfe hinaus blicken. Wir müssen auch den gesamten Mix an Dienstleistungen in Betracht ziehen, der nicht von den Bahnbetreibern bereitgestellt wird, und dafür sorgen, dass diese einfach zugänglich und erkenntlich sind. In diesem Sinne müssen Architektur und Mobilität einfach miteinander Dialog führen, um direkt mit den Bürgern verbunden zu sein und um die Effizienz und die Nachhaltigkeit aller Formen der Mobilität, die sich vom privaten Verkehrsmittel unterscheiden bzw. eine geringe Umweltauswirkung haben, zu vereinfachen.
Gibt es ein „Rezept” für den perfekten intermodalen Knotenpunkt?
Ja, die Fußgängerflüsse müssen das Projekt anleiten. Ein Bahnhof oder ein Umsteigeknotenpunkt kann nicht von der Tatsache absehen, dass die Benutzer (in seinem Inneren bzw. um ihn zu erreichen) zu Fuß unterwegs sind. Es sind die Fußgängerflüsse, die die Planung anleiten müssen.
Daher ist es möglich, sowohl am Angebot als auch an der Nachfrage zu arbeiten. Aber wie?
Es wird eine Reihe methodologischer Hilfsmittel angeboten, deren Ziel in der Unterstützung sowohl der Planer als auch der Entwerfer (Architekten, Landschaftsplaner, Städteplaner…) liegt, in dem Versuch, die Festlegung eines strategischen Layouts zu garantieren, damit die Umsteigeknotenpunkte lückenlos funktionieren. Daher müssen die Projektziele und –strategien eine simultane Analyse von Nachfrage (Benutzer) und Angebot (Raum und angebotene Dienste) umfassen.
Ein optimales Hilfsmittel zur Bezifferung der Zugänglichkeit für die Fußgänger innerhalb und außerhalb des Bahnhofs besteht in der Anfertigung eines Bahnhofs-Graphen, der eine schematische Darstellung der Hauptwege zwischen den strategischen Stellen des Bahnhofs und der Stadt bietet. Für jeden Weg kann auch die erwartete Benutzeranzahl und somit ihre Bedeutung beziffert werden.
Die Verwendung eines Bahnhofs-Graphen (der mit GIS, CAD oder auch einer einfachen Kalkulationstabelle angefertigt werden kann) stellt eine einfache und wirksame Methode zur Voranalyse und zur Vordimensionierung der bahnhofsinternen und –externen Verbindungen dar, indem die Distanzen (und damit die Gehzeiten) im Verhältnis zu den in allen Szenarien (aktuell und projektbezogen) erwarteten Flüssen abgewogen werden.
Es ist klar, dass man keine Detailgenauigkeit erreichen wird, die mit der aus einem Fußgänger-Mikrosimulationsmodell vergleichbar ist (das sich in Sachen Daten und Analysezeiten „aufwendiger“ gestaltet), das Modell ist jedoch wirksam und zuverlässig, vor allem bei der Festlegung des Layouts der Wegesysteme.
Es ist sicherlich möglich (jedoch nicht notwendig), auch die Betrachtungsweise zu nutzen, die die Verkehrsplanung bei der Festlegung eines effizienten Layouts bietet.
Man spricht oft von Wayfinding, der sogenannten „architektonischen Kunst“, um die Orientierungsfähigkeit im Raum und das direkte und instinktive Erreichen des Zielorts zu vereinfachen. Dieses Hilfsmittel kann noch effizienter gemacht werden, wenn die Räume zuallererst leserlich, ohne visuelle Hindernisse und gut organisiert sind. Und das Suchen nach „direkten Wegen“ bedeutet automatisch weniger Bedarf an Hinweisschildern.
Oft ist das Bahngelände ein unpassierbarer Bereich, der aus besonders strengen Grenzen besteht. Hier ist die Berücksichtigung der Wege, die die Benutzer normalerweise verwenden, um den Bahnhof zu erreichen, von wesentlicher Bedeutung, und somit die Planung von Radwegen und die Schaffung von Durchgängen für die Fußgänger ohne physische oder visuelle Hindernisse, um ein autonomes Wayfinding zu begünstigen.
Woher kommen die Bahnhofsbenutzer? Mit welchem Verkehrsmittel? Ist der Bahnhof leicht zugänglich?
Eine tiefgehende Analyse dieser Frage ist von wesentlicher Bedeutung. Um die Bahnhofsbenutzer zu verstehen, zu beziffern und zu beschreiben ist es daher wichtig, die Hauptursprünge/Bestimmungsorte festzustellen, von denen und zu deren Erreichen die Benutzer in den Bahnhof kommen, die Distanzen und Zeiten für deren Zurücklegung, die Richtungen und landseitigen Wege sowie ihr Modal Split.
Die Analyse der gebietsmäßigen Verteilung von Einwohnern und Mitarbeitern kann mit den Isochronen im Verhältnis zum Bahnhof oder verschiedenen Polaritäten gekreuzt werden, um eine Beziehung zwischen der Anzahl an Personen, die potenziell den Bahnhof erreichen, und der entsprechenden Zeit für den Zugang bzw. die Zufahrt je nach verwendetem Verkehrsmittel (zu Fuß, mit dem Rad, mit dem Auto…) zu erhalten.
In diesem Sinne ist es möglich, sowohl einen Vergleich zwischen dem aktuellen Szenario und dem Projektszenario oder aber zwischen unterschiedlichen Bahnhöfen vorzunehmen.
Alle diese Informationen sind der Angelpunkt, um den sich das komplexe Layout des Systems der Bahnhöfe im Sinne von multimodalen Hubs, den sogenannten „Hubs der Zukunft“, drehen muss.
Normalerweise müssen die Daten zur modalen Aufteilung mit Umfragen und Interviews vor Ort gesammelt werden, während die Zählungsdaten normalerweise im GIS-Format (Geographical Information System) verfügbar sind. Danach ist es möglich, die Umfragen und vor Ort eingeholten Informationen zu ergänzen, indem eine präzise georeferenzierte Erfassung, die man direkt vor Ort vornimmt, heranzieht.
Alle diese Daten dienen als Input, damit es gelingt, den Bahnhof an die Stadt anzunähern oder die Verbindung zwischen Stadt und Bahnknoten wiederherzustellen. Der Kernpunkt besteht genau darin, die Zugänglichkeit zum Bahnhof zu begünstigen, indem die Wegzeiten für die Benutzer reduziert werden (auch wenige Sekunden sind ein kollektiver Schatz, wenn sie viele Benutzer betreffen): beispielsweise durch den Bau einer zweiten Unterführung, die Einführung mehrerer direkter Zugangsstellen zu den Gleisen, die Erweiterung des visuellen Raumes und die Reduzierung der Distanz zwischen den Hauptankunftsstellen der verschiedenen Beförderungssysteme.
Welche Beförderungsart ist zu bevorzugen?
Wenn wir von mittleren und großen Städten sprechen, dann haben die umweltfreundlicheren Beförderungsarten sicherlich Vorrang. Sie lösen ihrerseits einen Mechanismus tugendhafter Verhaltensweisen hin zur Wahl nachhaltiger und umweltfreundlicher Beförderungsarten aus.
Wesentlich ist daher die Vereinfachung der Zugänglichkeit für diese Arten von Benutzern: mehrere Zugangsstellen, Fahrradstationen, Sharing Mobility-Bereiche, Nähe zu anderen öffentlichen Verkehrsdiensten, Kiss&Ride-Bereiche mit beschränkter Aufenthaltsdauer, und last but not least die Festlegung linearer und kurzer Wegverläufe für die Fußgänger.
Der Zugänglichkeit Priorität zu verleihen, impliziert eine politische Entscheidung. In unseren Städten haben wir nicht unendlich viel Platz, daher kann die „Nachhaltigkeit“ der Beförderungsarten ein gutes Anleitungskriterium bei den Entscheidungen darstellen.
Funktioniert das erdachte Layout? Gehen wir in die richtige Richtung?
Es ist möglich, eine funktionale Bewertung der Fußgängerverbindungen mittels Indices zu konkretisieren, die sich auf die Serviceniveaus der internen Hauptverbindungselemente wie beispielsweise Treppen, Sitzbänke, Unterführungen beziehen. Ein optimaler Indikator für das Serviceniveau kann ganz einfach unter Zuhilfenahme der Richtlinien aus den TFL Station Planning Standards and Guidelines oder der NetworkRail Station Capacity Planning Guidance berechnet werden.
Diese Hilfsmittel sind nicht nur einfach und schnell, sie können auch direkt von den Planern angewendet werden, ausgehend von allgemein verfügbaren oder leicht einholbaren Daten und ohne dass eine spezifische Software erforderlich ist. Und vor allem können sie die Layout-Planung in sämtlichen Phasen der Projektevolution anleiten.
Was erwarten wir in einem Bahnhof?
Ein Mix aus öffentlichen Verkehrsdiensten, Zugangsstellen zu den Mobilitätsdiensten und Einzelhandelsgeschäften kann zur perfekten Lösung werden, damit die Bahnhöfe zu einfacher benutzbaren und inklusiveren Orten werden.
Legen wir Must-haves fest und ergänzen wir das, was es immer schon gegeben hat, mit dem, was nie mehr fehlen darf! Infostellen, Fahrkartenschalter und Selbstbedienungsautomaten, Wartezonen, Multifunktionsbereiche (Plätze, Live Events, temporäre Ausstellungen), kommerzielle Einrichtungen (Bars und Restaurants, Geschäfte usw.), zu denen Fahrradabstellplätze oder Fahrradabstellanlagen, Bereiche für Sharing-Mobility und Kiss&Ride, klar definierte Taxistandplätze und direkte Verbindungen zu den öffentlichen Verkehrsdiensten hinzukommen.
Wenn die Multiplikation/Zerstreuung einiger Elemente auf dem Eingriffsbereich keine Vorteile bringt (z.Bsp. Flughafen-Shuttledienste oder Mietautos), müssen alle anderen gut verteilt, nutzbar und einfach zu finden sein, vor allem aber müssen sie maximale Kürze und Leserlichkeit der Fußwege dorthin garantieren.
