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Geschlechtsspezifische Barrieren im Beförderungswesen: Übergang vom Verständnis zur Tat
Warum Inklusion und Diversität in die Forschungsagenda für das Beförderungswesen aufgenommen werden müssenDer Großteil der Fachleute des Beförderungswesens würde wahrscheinlich dazu neigen, sich als „inklusiv” zu bezeichnen und vielleicht die geringe Vertretung der Frauen und Minderheiten in diesem Sektor als negatives Beispiel anprangern; mit dem Hinweis, dass es Programme gibt, durch die diese Personengruppen ermutigt werden sollen, sich an die Welt des Beförderungswesens anzunähern und damit höhere Sichtbarkeit, größere Chancen und ein passenderes Arbeitsumfeld zu genießen.
Das ist sicherlich ein lobenswerter Ansatz, da die Vertretung innerhalb des Sektors einen wichtigen Faktor zur Steigerung der sozialen Gleichberechtigung darstellt. Es gibt jedoch ein weiteres Thema, das zu berücksichtigen ist und das durch eine stärkere Vertretung der Frauen und Minderheiten im Beförderungswesen noch mehr Vorteile bringen kann: die Ungleichheit bei der Nutzung der Verkehrsmittel und die Unterschiedlichkeit bei den Erfahrungen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen.
Die Tatsache, dass die Beförderungssysteme nicht für alle Bevölkerungsschichten auf die gleiche Weise funktionieren, stellt für viele eine Unbekannte dar. Auch wenn unter Akademikern unumstritten ist, dass bei der Beförderung geschlechtsspezifische Unterschiede vorhanden sind, spiegelt sich dieses Bewusstsein bei den Verkehrsbetreibern und institutionellen Entscheidungsträgern nicht immer wider. Diese Variationen betreffen das beobachtete Fahrverhalten, das gewünschte Fahrverhalten, die Wahrnehmungen während der Fahrt und die notwendigen Fahrtvoraussetzungen. Es ist auch bekannt, dass sich diese Differenzen unter einigen Umständen auf unterschiedliche Weise auf die Benutzer auswirken können, und den Großteil der negativen Auswirkungen bekommen oft die Frauen zu spüren. Dann spricht man von eingeschränkteren Fahrten, schlechteren Wahrnehmungen, geringeren Wahlmöglichkeiten und mangelnder Sicherheit. Diese Auswirkungen können ihrerseits auf größere Fragestellungen zurückgeführt werden, die auf dem geschlechtsspezifischen Unterschied basieren, darunter die Gehaltsunterschiede, die Gewalt gegenüber Frauen und die Auswirkungen auf das geistige und körperliche Wohlbefinden. Ähnliche Unterschiede und Ergebnisse können auch in Bezug auf andere Minderheitengruppen beobachtet werden, und sie können altersbedingt variieren; ein „life-cycle“-Effekt.
Bisweilen ist es schwierig, diese Differenzen durch die Sammlung herkömmlicher Daten festzustellen, und sie werden von den Verkehrsmittelbetreibern eben wegen dieses Mangels an Diversität innerhalb des Teams nicht über einen holistischen Ansatz beim Bewertungsprozess der erlebten Erfahrungen erfasst.
Eine Recherche zu Diversität und Inklusion im Beförderungswesen ist daher von wesentlicher Bedeutung, um die Kluft zwischen dem Mangel an Vertretung unter den Entscheidungsträgern und in den Datensets und den Bedürfnissen der unterrepräsentierten Gruppen auszugleichen. Auch in kommerzieller Hinsicht erhöht das Verständnis und die Verwirklichung von Maßnahmen, die diese Ungleichheiten reduzieren, den Wert der Projekte, indem zu einer stärkeren Nutzung der Verkehrsmittel ermuntert wird, was sich gemäß der herkömmlichen Bewertung der Beförderungssysteme in größere Vorteile verwandelt.
Die Verkehrsplanungsexperten haben die Aufgabe, das Bewusstsein um diese Probleme zu steigern und die Fachleute bei der Verwirklichung inklusiverer Projekte in allen Entwicklungsphasen anzuleiten: von der Modellerstellung und anfänglichen Bewertung bis zur Planung und Definition der Dienstleistung. Die Berücksichtigung des Themas „Diversität und Inklusion“ (D&I) bei der Planung der Beförderungssysteme erzeugt wirtschaftliche, umweltbezogene und soziale Vorteile, verbunden mit einer positiven Auswirkung auf den Projekterfolg.
Anlässlich der European Transport Conference 2021 wurde ein Paper präsentiert, das dem detaillierten Feedback der Entscheidungsträger in diesem Sektor gewidmet war und sich auf die Gründe bezieht, die die Schaffung inklusiver Projekte verhindern. Aus dem Paper gehen auch wichtige Empfehlungen hervor, die von diesen Entscheidungsträgern als wesentlich betrachtet werden, um die Veränderung aufzubauen und die Beförderungsfachleute zur Führungsrolle dabei zu ermutigen:
- Bewusstsein um die Chance:
Es hat sich gezeigt, dass die vorherigen Trends im Beförderungswesen dank einer bahnbrechenden Veränderung in den Vordergrund gerückt sind. Daher besteht die Notwendigkeit, das Bewusstsein um die Vorteile zu verbreiten, die man erzielt, wenn die Geschlechtsspezifität im Rahmen der Verkehrsprojekte berücksichtigt wird, indem die Chancen hervorgehoben werden, die diese Art von Prozess erzeugt, um in diesem Bereich zum branchenführenden Unternehmen zu werden. Ebenso wichtig ist dabei, die potenziellen negativen Resultate zu unterstreichen, die bei Untätigkeit zu erwarten sind. - Ziele und Mandate in Bezug auf die Regeln:
Das Studium der alten Trends im Beförderungsbereich und die Diskussion mit den Unternehmen der Branche hat gezeigt, dass die Trends erfolgreich in die Hauptregeln eingebunden wurden, wenn ein diesbezügliches Mandat vorhanden war. Die Schaffung von Resultaten, die die Dimension der Inklusivität (mit gezielten, zu berücksichtigenden Bereichen) nicht vergessen, muss Hand in Hand mit der strikten Beachtung der derzeitigen verpflichtenden Bewertungen in Sachen Gleichbehandlung gehen. Die Resultate müssen in alle relevanten Dokumente in Bezug auf die Beförderungsregeln aufgenommen werden, so wie dies mit der Aufnahme der Umwelt- und wirtschaftlichen Auswirkungen erfolgt ist. Wesentlich dabei ist auch die Planung von Finanzierungen, die die verlangte zusätzliche Arbeit spezifisch unterstützen, einschließlich der Sammlung und Analyse von geschlechtsspezifisch disaggregierten Daten und der Einbindung spezifischer Aspekte, die mit dem Thema Inklusion zusammenhängen. - Experimentelle Ansätze:
Zahlreiche Trends werden populär, bevor sie sich vollständig entwickelt haben: verschiedene Branchen führen nämlich derzeit immer mehr Untersuchungen auf dem Gebiet Geschlecht und Fahrten durch. In diesem Bereich müssen noch Pilotprojekte gefördert, Subventionen für die Forschung erhalten und konkrete Belege verlangt werden, mit dem Ziel, spezifische Kontexte zu testen und die Testergebnisse zu verstehen. Nach Möglichkeit unter der Leitung einer zentralen Gruppe, die eigens für diesen Zweck eingerichtet wird (ähnlich wie der Ausschuss für den Klimawandel für Net-Zero oder das Zentrum für vernetzte und autonome Fahrzeuge für CAVs). Die Annäherung an dieses Thema sollte nicht durch die „Art und Weise, mit der die Dinge stets gemacht wurden“ oder durch die grundlegenden Prozesse limitiert werden. Die Überwachung der Resultate sollte einem Feedback-Zyklus ähneln, bei dem die Dokumente zu den Regelwerken regelmäßig aktualisiert werden, nachdem die Projektresultate nach und nach verstanden wurden. Die Informationen sollten auch auf nationaler Ebene und bewusst über spezifische Kommunikationsprozesse frei geteilt werden. - Den Hebel der Veränderung ansetzen:
Der Beförderungssektor hat in Bereichen wie technologische Innovation, Dekarbonisierung und aufgrund der Auswirkungen von COVID-19 bedeutende Veränderungen erfahren. Während diese Veränderungen bedeutende Chancen darstellen und als Gelegenheiten für die Verbesserung der Datensammlung, der Verkehrsnetzplanung und der experimentellen Resultate genutzt werden sollten, besteht auch das Risiko, dass die zukünftigen Ergebnisse weiterhin nur Teilergebnisse sind, wenn keine Maßnahmen getroffen werden. Es ist eine Bewertung der Auswirkungen auf die Art dieser Veränderungen notwendig, um jeden unbeabsichtigten Fehler zu verstehen, der sich auf das Thema der Ungleichheit auswirkt und durch Untätigkeit verursacht wurde. Überdies sollte in alle zukünftigen Entscheidungsprozesse eine detaillierte Analyse der Auswirkungen auf die Geschlechtergleichstellung aufgenommen werden. Die Zeit zum Handeln ist jetzt
