Im Rahmen der jüngsten Tagung „Zukunft – bereit zum Unternehmen”, die im vergangenen Oktober in Rom stattgefunden hat, konfrontierten sich die Jungunternehmer des italienischen Unternehmerverbandes Confindustria auf der Suche nach Lösungen für die Krise, die Italien und die ganze Welt infolge der Pandemie durchlebt. Die Debatte erfolgte unter dem Gesichtspunkt der Innovation und nachhaltigen Entwicklung und drehte sich um vier, als wesentlich erachtete Punkte: junge Menschen und Frauen, Energie- und Ökologiewende, Verbindungen, Gebietsinklusion. Zu diesen Themen haben wir die Stellungnahme von Gabriele Menotti Lippolis eingeholt, dem Präsidenten der Jungunternehmer von Confindustria Süd, mit dem wir das folgende Interview geführt haben.
FLOWS: Die Covid 19-Pandemie hat mittlerweile ihre zweite Welle in vollem Umfang erreicht und stellt uns vor eine Reihe von Fragen, wie denn das „New Normal“ in jedem Sektor des Alltagslebens aussehen wird. Auf der Suche nach neuen Gleichgewichten zwischen biologischen, technologischen und kulturellen Ökosystemen haben wir bereits alle Paradigmen der sozialen und wirtschaftlichen Interaktion in Frage gestellt. Welche Ressourcen wird die italienische Unternehmerschaft in Sachen Planung und Investitionen bereitstellen können, um eine geeignete Antwort auf diese globale Herausforderung zu bieten?
Gabriele Menotti Lippolis: Ich antworte in qualitativer und nicht so sehr in quantitativer Hinsicht ausgehend von einer Voraussetzung: Planung sowie innovative Einstellung und Fähigkeiten liegen in den Genen eines Jungunternehmers. Ich bin sicher, dass es in der derzeitigen schwierigen Lage viele verstehen werden, Gelegenheiten für neue Geschäfte und Investitionen zu nutzen. Daher bin ich zuversichtlich, dass wir fähig sein werden, die neuen Herausforderungen des globalen Wettbewerbs mit besonderem Augenmerk auf umweltfreundliche Investitionen, vor allem in den Verkehrssektor und in die Kreislaufwirtschaft, anzunehmen und zu bewältigen.
Das Wort Krise bedeutete im alten Griechenland Übergang, ein Zeitraum, in dem man von einem alten zu einem neuen Gleichgewicht übergeht; die Krise stellte einen konstruktiven Zeitraum dar, in dem die Voraussetzungen für eine neue Gesellschaft entstanden. Und wir müssen alle gemeinsam versuchen, dieses neue Gleichgewicht zu finden.
F: Der Maßnahmenplan für den Wiederaufbau der Europäischen Gemeinschaft läuft unter dem Namen „Next Generation EU“: eine epochale Gelegenheit, die Zukunft der jungen Leute in den Mittelpunkt der politischen Debatte und der finanziellen Investitionen zu stellen. Welche dringenden Maßnahmen zugunsten der neuen Generationen, die sich kurz- sowie mittel- bis langfristig konkretisieren lassen, erhoffen Sie sich?
G.M.L: Infolge der unvorhergesehenen und radikalen Veränderungen, die wir gerade erleben, insbesondere die, die auf den Klimawandel und die Covid-Pandemie zurückgeführt werden können, stellen die jungen Leute das Schwungrad dar, auf das die Investitionen eben ausgehend vom Next Generation EU-Plan bestmöglich katalysiert werden müssen. Daher muss dieses neue kartesische System folgende Koordinaten aufweisen: Innovation, Forschung und Entwicklung, Universität auf der einen und Gewerbetätigkeit auf der anderen Seite. Um den ehemaligen EZB-Präsidenten Draghi zu zitieren: er spricht in einer seiner Reden von Pragmatik und Logik der Systemschaffung als Schlüsselkonzepte, ohne die kein „Wiederaufbau“ erfolgen kann.
In all dem beweisen die jungen Leute einen starken Unternehmergeist. Es wurde de facto ein +3% bei der Gründung innovativer Startups verzeichnet, die auf Dienstleistungen für Unternehmen ausgerichtet sind (innovative Softwares, F+E-Tätigkeit, Herstellung von Geräten, Computern). Man kann also von echten Innovations-Providern sprechen, dank denen ein tugendhaftes Ökosystem entsteht, das Innovation, Green Economy und neue Generationen miteinander verbindet: das ist das „Happy End“ des Unternehmerverbandes. Und all das kann ganz besonders dann verwirklicht werden, wenn es auf politischer bzw. Regierungsebene endlich gelingt, einen Nährboden zu schaffen, der die Unternehmensentwicklung begünstigt (echte Entbürokratisierung, gesicherte Fristen für Genehmigungen, eine schnellere Ziviljustiz).
“Innovation, Green Economy und neue Generationen miteinander verbindet: das ist das „Happy End“ des Unternehmerverbandes”
F: Kann die Green Economy tatsächlich den wichtigsten Entwicklungstreiber bei der Wende hin zu einem resilienteren Gesellschaftsmodell und einem nachhaltigeren Produktionssystem darstellen?
G.M.L: Die Green Economy stellt bereits einen wichtigen Entwicklungstreiber dar. Sie ist anders und immer mehr auf einige Schlüsselbegriffe ausgerichtet, wie Kreislaufwirtschaft, Green Deal, Ökoplanung, und sie begünstigt die Schaffung eines neuen Gesellschaftsmodells, das auf nachhaltiger Planung und der „Servitization“ der Wirtschaft basiert. Nur in diesem Sinne haben alle industriellen Werteketten, einschließlich der Sektoren mit hoher Energieintensität, eine Schlüsselrolle auf dem Weg der Dekarbonisierung der Industrieprozesse und beim Übergang zum neuen Paradigma der Kreislaufwirtschaft. Es handelt sich um eine Revolution, die enorme Investitionen erfordern wird, die von der Europäischen Kommission auf 260 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt werden.
F: Investitionen in Infrastrukturen waren stets das Schwungrad des Wiederaufbaus, um aus Krisenzeiten herauszukommen. Worin bestehen Ihrer Ansicht nach die (sowohl physischen als auch digitalen) Infrastrukturprojekte, die für den Aufschwung des Systems Land am strategischsten sind?
G.M.L: Allen voran die Investition in das Breitbandinternet, ein digitaler Modernisierungsfaktor, der das gesamte Land betreffen muss, indem Diskrepanzen zwischen unterschiedlichen Gebieten aufgehoben werden. Ebenso wichtig ist auch die Verbesserung der Infrastruktur des Systems Italien (Straßen-, Flughafen-, Hafen- und Bahnverbindungen) mit besonderer Bezugnahme auf die am stärksten benachteiligten Gebiete.
Natürlich ist zur Verwirklichung dieser Infrastrukturen der Zeitfaktor von wesentlicher Bedeutung, damit wir nicht noch weiter hinter den Ländern zurückbleiben, die unsere Mitbewerber sind. Ich stelle mir umweltfreundliche Verbindungen nicht nur zwischen Städten vor, sondern auch zwischen Flughäfen in der gleichen Region, Häfen und Bahnhöfen.
F: Laut den vom Statistischen Observatorium der Bauarbeiterkasse unlängst veröffentlichten Daten, das von schüchternen, jedoch vielversprechenden Signalen für eine Besserung im Bausektor spricht, würde dies jedoch für den Süden Italiens nicht zutreffen, der sich weiterhin am Abgrund einer tiefen Rezession befindet. Der Vizepräsident der Kommission der Bauarbeiterkassen (CNCE), Antonio di Franco, spricht von „einem Italien mit drei Geschwindigkeiten, von denen eines nicht nur nicht läuft, sondern stillsteht und zurückbleibt“. Welche Tätigkeiten setzen Sie als Unternehmer ein, um den Kurswechsel zu unterstützen?
G.M.L: Unbeschadet der Tatsache, dass Unternehmer stets versuchen, ihre Rolle auf die bestmögliche Weise zu erfüllen, verdeutlicht die oben angesprochene Langsamkeit Kritizitäten, die die öffentliche Sphäre betreffen, sowohl auf politisch-administrativer Ebene als auch auf Ebene der Produktivität des öffentlichen Dienstes. Denn wenn zutreffend ist, dass der Wettbewerb heute eher zwischen Systemen als zwischen Unternehmen erfolgt, dann erscheint offensichtlich, dass die Unternehmer im Kontext der globalen Wettbewerbsfähigkeit benachteiligt sind.
Die süditalienischen Bauunternehmer müssen sich daher auf diesem Terrain bewegen, das durch die Bürokratie vermint ist. Als Jungunternehmer Süditaliens haben wir beantragt, dass außer dem von der Europäischen Kommission in die Wege geleiteten Green New Deal ein New Deal für den Süden aktiviert wird. Süditalien muss erneut zu einer der Prioritäten bei den strategischen Entscheidungen der Politik werden, in einem integrierten Entwicklungsplan für das gesamte Land. In unserem Süden ist die infrastrukturelle Ausstattung geringer, sowohl was die Quantität als auch was die Qualität anbelangt. Heute laufen wir Gefahr, immer weniger in der Lage zu sein, auf europäischer und globaler Ebene beim Wettbewerb mitzuhalten. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass der Süden Italiens in die Lage versetzt wird, seinen Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung Italiens zu leisten.
Simulationen der italienischen Zentralbank haben aufgezeigt, dass eine Steigerung der öffentlichen Investitionen im Süden in der Höhe von 1% des BIP zu einer Steigerung des BIPs von Mittel- und Norditalien um 0,3% führen würde.
Dennoch werden wir Unternehmer, junge und weniger junge, von Norden bis Süden, weiterhin proaktiv sein, ohne aufzugeben, in dem Bewusstsein, dass die Corona-Krise ein Brecheisen darstellen kann, um alle Ineffizienzen und das Parasitentum ein für alle Mal aus den Angeln zu heben.