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Wirtschaftlicher Erfolg mit Nachhaltigkeit für Beratende Ingenieure (Teil I)
Grundlagen des Engagements für unternehmerische Nachhaltigkeit zum gleichzeitigen Vorteil für Gesellschafter*innen und InteressengruppenDie Gesellschaft befindet sich in einem ständigen Entwicklungszustand, und das seit jeher. Folglich ändert sich auch die Wirtschaft und regt zu Innovationen an. In der Vergangenheit waren diese in erster Linie mit Technologie verbunden. In den letzten Jahren werden Innovationen jedoch auch von sozialen und ökologischen Kräften angetrieben. Es handelt sich dabei um einen aufstrebenden und rasch wachsenden Trend, der das Schicksal zahlreicher Branchen und Firmen bestimmt. Dieser Trend ist gnadenlos mit jenen, die nicht an einem Wandel interessiert waren oder nicht die Möglichkeit hatten, diesen zu fördern. Da sich die Konzepte der globalen und planetaren Nachhaltigkeit immer mehr behaupten, kommen neue Geschäftsmodelle auf, die sowohl das Leben innerhalb der Organisationen verbessern als auch neue Werte für die Kund*innen schaffen.
In der Vergangenheit waren Unternehmen hauptsächlich auf wirtschaftliche Nachhaltigkeit ausgerichtet. Nachhaltigkeit wurde – und wird oft auch heute noch – lediglich in ihrer zeitlichen und wirtschaftlichen Dimension verstanden. Das Ziel besteht darin, Aktionär*innen Werte zu liefern und zu steigern, indem die Wirtschaftsleitung unter bestimmten Bedingungen gesichert wird. Die Schlüsselfaktoren für strategischen Erfolg werden durch die Analyse externer Kräfte des Marktes und durch die Positionierung des Unternehmens mit den ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen identifiziert. Dabei priorisierten Unternehmen die direkten Kosten und nur die Vorteile, die internalisiert werden können. Die Nutzung von Ressourcen wird nicht verbucht, wenn die Regeln des Marktes diese nicht verlangen. Auf diese Weise werden viele soziale und ökologische Ressourcen verwendet, deren Kosten Dritten auferlegt werden. Das bekannteste Beispiel dieser sogenannten Externalitäten ist die Nutzung der Atmosphäre für die Emission von Treibhausgasen bis zu einem Punkt, an dem der Klimawandel ein erhebliches Risiko sowohl für Unternehmen als auch für die Gesellschaft darstellt. Nur schrittweise finden die Kosten für die Nutzung der Atmosphäre Platz in den Unternehmensbilanzen, indem Emissionshandelssysteme angewendet werden.
Heutzutage wird von Unternehmen gefordert, zunehmend sozial-orientierend zu werden, um für die Gesellschaft Werte zu schaffen und Kosten zu vermeiden. Die Schlüsselfaktoren für solche Unternehmungen gehen über die Marktkräfte und die verfügbaren Ressourcen hinaus, indem die Beziehungen mit direkten und indirekten Interessengruppen (Stakeholdern) berücksichtigt werden. Die Ausrichtung des Kerngeschäfts mit der Befriedigung der sozialen und ökologischen Bedürfnisse wird zur Priorität. Eine Voraussetzung besteht darin, in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit zu denken, zu handeln und zu messen. Soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte sowie entsprechende Indikatoren müssen beachtet werden. Finanzielle und nicht-finanzielle Formen der Wertschöpfung können harmonisiert werden, wenn sowohl Nachhaltigkeit als auch Stakeholder berücksichtigt werden. Ein Ansatz für diese Harmonisierung besteht in der Erkundung und der gekonnten Nutzung der Business Cases with Sustainability (BCwS), welche die Verbindungen zwischen freiwilligen sozialen und ökologischen (nachhaltigkeitsorientierten) Aktivitäten und den wesentlichen Treibern für wirtschaftlichen Erfolg darstellen. Die Herausforderung besteht in der Identifizierung und Integration von nachhaltigkeitsorientierten Aktivitäten, die mit dem Kerngeschäft harmonisieren.
Nachhaltigkeitsmanagement und Business Cases with Sustainability (BCwS)
Die Vorteile für ein Unternehmen, das Nachhaltigkeit integriert, können mit dem Ansatz des BCwS verstanden werden. Im Allgemeinen beschreiben Business Cases die Folgen von wirtschaftlichen Entscheidungen. Business Cases werden verwendet, um Entscheidungsträger*innen über die finanziellen und nicht-finanziellen Folgen von möglichen Aktivitäten zu informieren. Mit speziellem Bezug auf das Nachhaltigkeitsmanagement werden nachhaltigkeitsorientierte Aktivitäten als Schlüssel zum Unternehmenserfolg verstanden, da diese Aktivitäten mit der wirtschaftlichen Leistung verbunden sind. Die Steigerung der wirtschaftlichen Leistung wird erreicht durch den positiven Einfluss nachhaltigkeitsorientierter Aktivitäten auf die folgenden Kerntreiber von Business Cases: Kosten und Kostensenkung, Umsatz und Gewinnmargen, Risiko und Risikoreduktion, Reputation und Markenwert, Attraktivität als Arbeitgeber*in sowie Fähigkeit zur Innovation. Nachhaltigkeitsorientierte Aktivitäten, die darauf abzielen, Kerntreiber von Business Cases zu stimulieren, müssen sorgfältig geplant und gehandhabt werden. Ihr Einfluss auf die wirtschaftliche Leistung kann positive (Gewinn steigernde) und negative (Gewinn senkende) Auswirkungen haben. Außerdem ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass der Einfluss der Kerntreiber von Business Cases zufällig erscheinen mag und indirekt sein kann, indem indirekte Stakeholder involviert werden (z. B. Interessengruppen, wie zivilgesellschaftliche Organisationen, politische Initiativen usw., die nicht auf dem Markt agieren).
Die Entwicklung von Infrastrukturen involviert eine große Anzahl an Stakeholdern, weil diese, aufgrund ihrer zentralen Funktion, grundlegende Dienste für Industrien und Haushalte über verschiedene zeitliche (lang-, mittel-, kurzfristig) und räumliche (global, regional, lokal, Kunde) Skalen hinweg erbringt. Das Planen und Entwerfen nachhaltiger Infrastrukturen hat daher zahlreiche Vorteile. Beispielsweise profitieren politische Entscheidungsträger*innen oder Bauherr*innen zum einen von der langfristigen Bestandsfähigkeit durch erhöhte Resilienz und zum anderen von geringeren Kosten durch erhöhte Effizienz und Zusammenarbeit mit Interessengruppen. Zudem erhöht die Einbindung in Entscheidungsprozesse und die Reduzierung der negativen Auswirkungen auf die Gemeinschaft und die Umwelt das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Projekte. Um den Gedanken der Nachhaltigkeit in die Entwicklung von Infrastrukturen zu integrieren, müssen die Entscheidungsträger*innen gut über Nachhaltigkeit informiert sein. Hier beginnt die Verantwortung von Beratenden Ingenieuren: Kunde*innen informieren über Herausforderungen, die wir heute in Angriff nehmen müssen, und über Werte, die bei nachhaltigen Infrastrukturen inhärent sind. Doch worin bestehen die Vorteile für die Beratenden Ingenieure, die ihre Kund*innen zu überzeugen versuchen?
“Die Herausforderung besteht darin, den sozialen und ökologischen Bedürfnissen der Stakeholder gerecht zu werden, indem soziale und ökologische Belange geschickt in das konventionelle Management integriert werden.”
Zur Beantwortung dieser Frage wurde Nachhaltigkeit für Beratende Ingenieure über die Projektentwicklung hinaus unter Berücksichtigung unternehmerischer Nachhaltigkeit untersucht. Nachhaltigkeitsmanagement übernimmt Verantwortung gegenüber der Gesellschaft als Ganzes und trägt gleichzeitig zur Nachhaltigkeit des Unternehmens (Corporate Sustainability) bei. Die Herausforderung besteht darin, den sozialen und ökologischen Bedürfnissen der Stakeholder gerecht zu werden, indem soziale und ökologische Belange geschickt in das konventionelle Management integriert werden. Institutionelle Aspekte beziehen sich dabei auf den Aufbau und die Arbeit von Führungskräften und Mitarbeiter*innen in Unternehmensstrukturen, die die Integration der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit unterstützen. Funktionale Aspekte des Nachhaltigkeitsmanagements ermöglichen es Unternehmen, die Herausforderungen durch die Integration der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit zu meistern.
Methodik zur Abbildung von BCwS für Beratende Ingenieure
Bei drei Beratenden Ingenieursgesellschaften wurden 15 Interviews mit Führungskräften im oberen und mittleren Management durchgeführt, um wertvolle Einblicke über die Zusammenhänge zwischen den Kerntreibern und den verwandten Herausforderungen und Möglichkeiten zu erhalten. Außerdem wurden Nachhaltigkeitsberichte von drei weiteren, hoch anerkannten Beratenden Ingenieursgesellschaften analysiert, um das gesamte Spektrum an nachhaltigkeitsorientierten Themen und Aktivitäten auszuwerten, die nachweislich die Kerntreiber von Business Cases stimulieren.
Insgesamt wurden 49 Möglichkeiten identifiziert, wie Themen oder Serien von nachhaltigkeitsorientierten Aktivitäten Kerntreiber von Business Cases auslösen können. Es wurde beispielsweise berichtet, dass Dialoge und Umfragen zur Einbeziehung von Stakeholdern wesentlich zur Reputation und zum Markenwert beitragen. Zusätzlich wurden weitere 49 Möglichkeiten ausgemacht, von denen angenommen werden kann, dass diese, dank ihrer unterstützend wirkenden Eigenschaften, Vorteile erzeugen. Beispielsweise trägt Nachhaltigkeit integriert in Eigentumsverhältnisse und Vergütungsvereinbarungen potenziell zu allen Kerntreibern bei, indem die Motivation und das Engagement von Manager*innen und Mitarbeiter*innen erhöht wird, um nachhaltigkeitsorientierte Aktivitäten des Unternehmens effektiv und effizient umzusetzen.
Diese Informationen wurden zur Erstellung eines Causal Loop Diagram (CLD) unter Berücksichtigung der Grundsätze von System Thinking (ST) mit dem Ziel verwendet, die Zusammenhänge zwischen den Elementen des Systems sichtbar zu machen. Die Zeichen an den Spitzen der Pfeile geben eine positive Beziehung („+“ Veränderung in die gleiche Wirkungsrichtung) oder eine negative Beziehung („-“ Veränderung in die entgegengesetzte Wirkungsrichtung) an. Außerdem sind zirkuläre Beziehungen in Form von positiven oder negativen Rückkopplungsschleifen (Feedback-Loops) zu erkennen. Negative Feedback-Loops neigen zu einem Gleichgewicht („B“ für „balancing loops“), indem sie die Kräfte im System ausgleichen. Positive Feedback-Loops („R“ für „reinforcing loops“) können identifiziert werden, wenn eine Intervention Änderungen auslöst, die die Wirkung der ursprünglichen Intervention erweitert und verstärken.

Casual Loop Diagram (CLD) mit Kerntreibern, Schlüsselfaktoren und nachhaltigkeitsorientierten Aktivitäten
Was wir gelernt haben
Das CLD zeigt Dynamiken auf, die mögliche Ergebnisse von Szenarien beschreiben für (a) Aktion und (b) Untätigkeit für die (i) externen Förderung und (ii) Internalisierung der Nachhaltigkeit.
In einem Szenario mit gewöhnlichem Unternehmertum, das durch Untätigkeit gekennzeichnet ist, wird die unternehmerische Leistung durch die Digitalisierung von Ingenieurleistungen und die Verringerung der öffentlichen Ausgaben bedroht. Es kommt nicht nur zu einem Rückgang der Umsätze (bzw. der akquirierten Projekte) und der Gewinnmargen, sondern auch zur Senkung der Innovationsfähigkeit, der Reputation und des Markenwertes. Dieser Trend wird verstärkt durch mehrere Feedback-Loops (R1 bis R4). Außerdem wird die Attraktivität als Arbeitgeber*in beeinflusst (über R5 und R6), wodurch es zu niedrigeren Erfolgsquoten bei der Rekrutierung und Bindung qualifizierter Mitarbeiter*innen kommt; und das in Zeiten, in denen Talente stark umworben werden. Aufgrund der vernetzten Natur der Kerntreiber wird der negative Trend auf andere Kerntreiber übertragen, was zu schlechten Aussichten für die unternehmerische Leistung führt.
Wie bereits erwähnt, bietet Nachhaltigkeit nachweislich 49 Möglichkeiten, wie Themen oder Serien von nachhaltigkeitsorientierten Aktivitäten die Kerntreiber für Business Cases stimulieren können. Allein zehn dieser Themen können die Attraktivität als Arbeitgeber*in steigern und das Arbeitsumfeld positiv beeinflussen. So können qualifizierte Arbeitskräfte, die entscheidend für den unternehmerischen Erfolg sind, angezogen, motiviert und gebunden werden. Diese Dynamiken steigern Verstärkungsschleifen (reinforcing loops), die sich – von Teufelskreisen in Szenarien mit gewöhnlichen Unternehmertum – in Erfolgskreisläufe verwandeln. Die Veränderung der Überlegenheit der zugrunde liegenden Treiber des Systemwandels bietet eine Vielzahl zusätzlicher Chancen zur Steigerung der Innovation, der Reputation und der wirtschaftlichen Leistung.
Insgesamt finden wir, dass die Integration des Nachhaltigkeitsgedankens in die Unternehmensentwicklung sehr viel mehr Gelegenheiten bietet, um Innovation und Reputation zu erhöhen, was zu mehr Aufträgen führt und gleichzeitig Risiken und Kosten reduziert. Der anhaltenden Erosion der Wettbewerbsfähigkeit, die historisch erlebt wurde und für die das Untätigkeits-Szenario für die Zukunft erwartet wird, entgegnet man mit steigender Geschwindigkeit der Veränderung und Innovation. Die Herausforderung für Unternehmen besteht darin, im Laufe der Zeit ein innovatives und lebhaftes Geschäftsklima aufrechtzuerhalten.
Die Reise hat begonnen. Jetzt heißt es, den Rückstand aufzuholen!
Eine allgemeine Empfehlung, um die überlegenen Elemente und Rückkopplungsschleifen Ihres Systems herauszufinden, besteht darin, Risikomanagement zu betreiben sowie interne und externe Stakeholder einzubeziehen. Auf diese Weise können wesentliche Themen und entsprechende Tätigkeiten identifiziert werden, um diese in die strategische Planung und in das (Sustainability) Accounting zu integrieren. Insbesondere wird empfohlen, sich auf die kritischen Werte von Beratenden Ingenieuren (d. h. die Kompetenzen, Kenntnisse sowie Kooperationsfähigkeit) zu konzentrieren, da diese erfolgreiche Beziehungen mit aktuellen und potenziellen Kunden schaffen und gestalten.
Für die anderen Aspekte geben die bereitgestellten Informationen eine Richtung an, in der es möglich ist, die Vorteile von freiwilligen nachhaltigkeitsorientierten Aktivitäten nachzuvollziehen. Das CLD kann dabei Ihre Bemühungen unterstützen, Ihre BCwS abzubilden, andere davon zu überzeugen und BCwS geschickt einzusetzen – je nachdem, wie stark Sie den Kerntreibern und Herausforderungen des Sektors ausgesetzt sind.
Bleiben Sie in Kontakt, wenn Sie mehr darüber erfahren möchten. Teil II dieses Artikels konzentriert sich ausführlicher auf das CLD und weitere Erkenntnisse, indem wir die Punkte ergänzen, die wir in diesem Artikel angesprochen haben.
