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Mobilität mit Null-Emission: Radfahren in Bozen
In Südtirol wächst das Bewusstsein um eine „Fahrradkultur”. Die Schlüsselbegriffe dabei sind: Bewegung, Umweltschutz, Freizeit und Alternative.„Wussten Sie, dass 28% der Ortswechsel in Bozen mit dem Fahrrad erfolgen? Radfahren tut Gesundheit und Umwelt gut und trägt dazu bei, die Stadt gesünder und lebenswerter zu machen“
Die Gemeinde Bozen fördert seit Jahren die Nutzung des Fahrrads. Die Stadt, die mittlerweile als „fahrradfreundlichste Stadt“ an der Spitze der italienischen Wertung liegt, hat in den letzten Jahrzehnten ein städtisches Radwegenetz gesponnen, das sich über mehr als 50 Kilometer erstreckt und in jede Richtung weiterführt, indem die städtischen und außerstädtischen Radwege mit allen Städten und mit zahlreichen Orten und Tourismusgebieten der Region verbunden werden.

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RADWEG UND INTERMODALER VERKEHR
Es ist interessant, das Thema im Rahmen einer umfangreicheren Vision zu beleuchten, die auch die letzten Daten der italienischen Umweltschutzorganisation Legambiente zum Wert des „Fahrradinlandsprodukts“ (sog. PIB) berücksichtigt. Worum handelt es sich? Ganz einfach um den Gesamtumsatz, der durch die Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Fahrrad in Italien erzeugt wird: sage und schreibe 6 Milliarden Euro, verbunden mit der absolut erheblichen Tatsache, dass die Anzahl der Radwege im Zeitraum zwischen 2005 und 2015 um 50% zugenommen hat (geschätzte Zunahme in Bezug auf eine Gesamtanzahl von über 100 Hauptorten). Paradoxerweise wurde jedoch festgestellt, dass trotz dieser Zunahme die Anzahl der Italiener, die mit dem Fahrrad fahren, nicht zugenommen hat. 2008 waren es 3,6%, 2015 weiterhin 3,6%. Ein deutliches Signal, dass es nicht ausreicht, die Strukturen auszubauen oder zu erweitern, wenn nicht gleichzeitig wesentliche Kommunikationstätigkeiten entwickelt oder kulturelle Hilfsmittel gefördert werden, die eine „alternative“ Art der Fortbewegung begünstigen.
Eine Kultur, die auf nationaler Ebene oft nicht vorhanden ist und die bereits auf schulischer Ebene konkreter verbreitet werden sollte. Wir dürfen außerdem nicht vergessen, dass das Segment des Zweiradsektors (Motorrad und Fahrrad) eine Sparte versorgt, die etwa 60.000 Personen betrifft und einen Umsatz von 5 Milliarden Euro erzeugt. Die Signale für die Zukunft der Mobilität sind vielversprechend, wenn man bedenkt, dass die Anzahl der Gemeinden, die ihren Bürgern einen Bike Sharing-Service zur Verfügung stellen im Jahre 2016 (von 61% auf 66%) gestiegen ist. Mobilität, aber auch Intermodalität, ein Begriff, der immer mehr dazu bestimmt ist, in unsere Sprache „der Zukunft“ einzutreten. Eine vom Verband Ambiente Italia durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass in 40% der befragten 104 Hauptorte die öffentlichen Verkehrsmittel den Passagieren die Mitnahme von Fahrrädern gestatten und auf diese Weise eine gemischte Mobilität begünstigen.

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DER ERSTE BOZNER RADWEG
Die erste Anlage eines echten Radwegs in Bozen erfolgte beinahe durch Zufall in den 80er Jahren infolge der Versetzung der Bahnlinie Bozen-Meran, wodurch das rechte Ufer des Flusses Eisack für andere Zwecke verfügbar wurde, eine Art „Freizeit”-Weg, der für Fahrrädern gedacht war und neben dem Gehweg angelegt werden sollte.
Der Erfolg dieser Initiative, der auch auf die Lage und den Vorteil zurückzuführen war, dass es sich um einen Zugang zum historischen Stadtkern handelte, leitete die Schaffung einer „Fahrradkultur“ ein, die sich vom derzeitigen Gesundheitstrend unterscheidet: Die Verwendung des Fahrrades als alternatives Transportmittel verbreitete sich immer mehr, wodurch die Stadtverwaltung präzise infrastrukturelle Antworten liefern musste. Auf diese Weise entstand ein neues Wegenetz. Die spezielle orografische Lage der Stadt Bozen, durch die drei Flüsse verlaufen, sowie die besondere Anordnung der wichtigsten Schulgebäude und Sportkomplexe entlang der Flüsse, sorgte in der Folge für den Anstoß zur Schaffung eines ersten Radwegnetzes, das das „Rückgrat“ des Systems darstellt.
DER WERT DER VERBINDUNG
In der Folge wurde das Fahrrad zum alternativen Transportmittel der Stadt schlechthin: Basierend auf einem allgemeinen Bezugsplan, der die Verbindung aller Schul-, Sport- und Freizeitbereiche der Stadt vorsieht, um eine Art großen Ring rund um das Stadtzentrum zu bilden, wurden im Laufe der Jahre weitere Radwege angelegt.
Dies führte zu einem Netz, das in der Lage ist, den Ansprüchen der Bewohner gerecht zu werden, indem ermöglicht wird, von einer Nutzung des Fahrrads, die beinahe ausschließlich in der Freizeit stattfindet, zu einer systematischen Nutzung für die Strecken „Zuhause-Schule“ und „Zuhause-Arbeit“ überzugehen. Selten sind die Straßen breit genug, um die Schaffung von Radwegen zu ermöglichen, die die Parkmöglichkeiten nicht beeinträchtigen. An den Stellen, an denen der Eingriff als besonders wichtig betrachtet wurde, sorgte man für ein komplettes Parkverbot oder für eine unterschiedliche Regelung, wobei versucht wurde, zumindest einen Teil der aufgehobenen Parkplätze durch eine Umplanung der Parkmöglichkeiten in den angrenzenden Straßen wiederherzustellen.
Die jüngste Umwandlung des Gewerbegebiets in Produktions- und Dienstleistungsgebiet hatte die Auflassung zahlreicher Bahnstrecken zur Folge, die direkt zu den Hauptwerken führten, und ermöglichte die Nutzung für den Bau von Radwegen.
ALTERNATIVER TRANSPORT: DIE SÜDTIROLER LÖSUNG.
Der neue Städtische Verkehrsleitplan bestätigt für die Gemeindeverwaltung das Ziel, die Nutzung alternativer Verkehrsmittel zu fördern. Gemeinsam mit den umliegenden örtlichen Gemeindeverwaltungen wurden Maßnahmen in die Wege geleitet, um übergemeindliche Radwege zu schaffen, die in den Entwicklungsplan der Provinz aufgenommen wurden. Jeder außerstädtische Radweg sieht die Möglichkeit vor, für die längeren und anstrengenderen Strecken auch die Bahn für die Mitnahme des Fahrrades zu nutzen.

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LANDSCHAFT UND LANGSAME MOBILITÄT
Die Landschaft verändert sich: es entstehen Hotels für Radfahrer, mobile Reparaturwerkstätten, Infostellen, Fahrradverleih, Fahrradabstellplätze in der Nähe der Bahnhöfe, spezifische Wegbeschilderungen sowie Überwachungsstationen, die sog. Bicycle Barometer, ein integriertes System, das in der Lage ist, die Häufigkeit und die Durchfahrt von Fahrrädern auf diesen Strecken zu messen.Es entstand eine Reihe von Projekten wie zum Beispiel der „Boznerradtag“ und „Frühstück für RadfahrerInnen“, sowie Initiativen wie „green mobility“, ein Projekt mit dem Ziel, die Region Trentino-Südtirol zu einem Vorbild für die alpine und nachhaltige Mobilität in allen ihren Formen zu machen. Die Hauptpunkte dieses Projekts sind Elektro-Mobilität, intermodaler Transport und Radmobilität mit dem Ziel, den Verkehr zu verbessern, zu verlegen und ihn im besten Fall zu eliminieren.
Das Südtiroler Radwegenetz kann auf über 500 Kilometer Radwege verweisen, sowie auf zahlreiche Wege in den Bergen, dank denen es möglich ist, die Berggipfel mit dem Fahrrad zu erreichen.
Zum Abschluss eine kurze Reflexion: Wir müssen uns schön langsam mit dem Gedanken befassen (und uns davon überzeugen), dass alternative Mobilitätsschemata immer nachhaltiger und unerlässlicher sind, da sie uns nicht nur die Rückkehr zu einer „langsamen” Dynamik des Lebensstils ermöglichen, sondern auch neue Gelegenheiten für unsere Beziehung zur Umwelt. Ein „langsamer“ Stil ist dabei nicht einem „inaktiven“ Stil gleichzusetzen, es bedeutet vielmehr eine unterschiedliche Taktierung der Zeit zugunsten eines stärkeren individuellen und kollektiven Wohlbefindens, sowie ein stärkeres Bewusstsein darum, Teil eines Ganzen zu sein.
