„Smart City: Materials, Technology & People” war der Titel des Ausstellungs-Events zum Thema Intelligente Stadt, das von 17. April bis 12. Mai in Mailand stattfand: Ein Anlass zur Reflexion über das Thema nachhaltige und smarte städtische Mobilität. Im Rahmen dieses Events betreute FLOWS drei Dialoge, die es sich zum Ziel gesetzt hatten, diese Themen anhand der Beiträge von Entwerfern und Fachleuten zu untersuchen. Sie waren dazu berufen, ihre Erfahrungen zu erzählen und einen internationalen Blick auf die Stadt und die Mobilität von morgen zu werfen.
Im Folgenden ein Auszug aus dem Beitrag von Santiago Martin Caravaca, Smart Citizenship Strategist, anlässlich des Treffens „Smart Cities. Resilienz und kollektiver Einfallsreichtum für Nachhaltigkeit und städtische Mobilität“, das am vergangenen 11. Mai stattgefunden hat. Weitere Protagonisten des Treffens waren Piero Pelizzaro, Chief Resilience Officer der Gemeinde Mailand, und Francesco Ventura, Verantwortlicher für Umwelt und erneuerbare Energien von OICE. Moderator des Treffens war Leonardo Previ, der Präsident von Trivioquadrivio.
Im Alter von 5 Jahren saß ich zum ersten Mal in einem Flugzeug. Die Passagiere rauchten während des Flugs, aber niemand war deswegen besorgt, das war normal. Heut wäre es unerhört, im Flugzeug eine Zigarette anzuzünden, nicht unerhört ist es hingegen, den Smog in den Städten einzuatmen. Wir sprechen hier nicht von Städten der Dritten Welt, sondern von Städten, die beinahe 20% des BIP darstellen und die der Umweltverschmutzung trotzdem machtlos gegenüberstehen. Die Bürger sind andererseits immer sensibler gegenüber diesen Problemen, sie verfügen jedoch nicht über genügend Hilfsmittel, um zu handeln.
Die Umweltverschmutzung ist nur eine der Herausforderungen, die eine Verwaltung nicht alleine bewältigen kann, sondern nur mit der Beteiligung der Öffentlichkeit.
Was ist Beteiligung? Über die formellen Definitionen hinaus ist Beteiligung der Treibstoff einer Smart City. In naher Zukunft werden die Talente beschließen, in jenen Städten zu leben, wo es dem Beteiligungsprozess gelingt, die Lebensqualität zu steigern und die städtischen Bereiche dynamischer, kreativer und lebendiger zu gestalten. Kurz gesagt dort, wo die kollektive Energie als ein wesentliche immaterielle Ressource wahrgenommen wird, um den Herausforderungen Herr zu werden, die den Städten gemein sind.
In der „Geschichte des Peloponnesischen Krieges” von Thukydides spricht Perikles bereits vor zahlreichen Jahrhunderten vom Wesen der attischen Demokratie, bei der alle Bürger das Recht auf Beteiligung hatten und Protagonisten des politischen Lebens sein durften. Und genau aus diesem Grund war Athen den benachbarten Polis überlegen. Auch heute werden Städte, die in die Beteiligung investieren, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber jenen haben, die dies nicht tun.
Einstellungswandel
Doch das allein genügt nicht. Die öffentlichen Verwaltungen müssen in der Lage sein, zu verstehen, wie und wann das Gleichgewicht zwischen der bottom up-Beteiligung und den top down-Prozessen zu finden ist, d.h. Situationen, in denen die politische Führungskraft legitim zur Ausführung von Tätigkeiten einzusetzen ist, die das öffentliche Interesse auf zufriedenstellende Weise beeinflussen. Daher ist es notwendig, einen Einstellungswandel herbeizuführen, sowohl bei den Vertretern der Institutionen, als auch bei den Bürgern.
In diesem Zusammenhang ist die Definition der idealen Beziehung zwischen Regierung und Bürger des amerikanischen Philosophen John Dewey festzuhalten:
The man who wears the shoe knows best where it pinches, even if the expert shoemaker is the best judge of how the trouble is to be remedied.
Unter diesem Gesichtspunkt sind es vor allem die öffentlichen Verwaltungen, die eine Veränderung bei ihrem Regierungsansatz für das Territorium in die Wege leiten müssen, bei dem die Figur der Experten immer mehr mit der der Bürger zusammenfallen wird.
Und genau diese Richtung schlug die Madrider Verwaltung mit der Initiative Decide Madrid ein, deren Ziel darin bestand, die Bürger zur Vorlage von Projekten aufzufordern, die sie gerne in ihrer Stadt verwirklicht sehen würden. Die Beteiligung kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Beispielsweise über die „kollaborative Gesetzgebung”, die Beteiligungsbilanzen mit einem Budget von 100 Millionen Euro oder die Spontanvorschläge der Bürger, die der Beurteilung durch die Madrider Bevölkerung unterzogen werden, von denen nur jene, die Ja-Stimmen im Ausmaß von 1% der registrierten Wähler erhalten – d.h. 27.662 Personen – in die folgende Phase der Realisierung übergehen. Es handelt sich um ein Modell zur Anregung der Beteiligung von unten her, das große Erfolge verzeichnen kann und heute in 70 Städten und Regionen der Welt zur Anwendung kommt.
Wenn wir uns die Liste der Projekte ansehen, die von den Bürgern über das Portal Decide Madrid angeregt wurden, dann erkennen wir, dass die eingebrachten Vorschläge Kenntnis der Nachbarschaft zeigen, sowie dass es ihnen ein Anliegen ist, die Stadt grüner und freundlicher zu gestalten. Es handelt sich um Projekte, die niemals verwirklicht worden wären, wenn sie nur von der Entscheidung der Politiker abhängen würden.
Bisweilen schlägt die Bevölkerung komplexe Projekte vor (und stimmt für sie), die von der Verwaltung ein erhebliches Engagement in den Anfangsphasen, den Dialog mit zahlreichen Stakeholders und die Umplanung einiger öffentlicher Sektoren erfordert, die jedoch zweifelsohne eine Verbesserung der Stadt herbeiführen. In Beispiel dafür ist das Projekt, das es gestattet hat, ein einziges Ticket für die öffentlichen Transportmittel in Madrid einzuführen, um zu vermeiden, dass die Bürger unterschiedliche Tickets für die unterschiedlichen Transportmittel kaufen müssen.
Andere Male sind die Bedürfnisse der Bürger derart einfach, dass die öffentliche Verwaltung sie nur schwer erkennen oder auf die richtige Weise interpretieren kann: Das erste der Projekte, das für den Madrider Stadtbezirk Hortaleza im Jahre 2017 genehmigt wurde, sieht beispielsweise die Installation von 16 „normalen“ Schaukeln und Rutschen im Gesamtwert von € 75.000 vor. Was bedeutet das? Politiker und Techniker neigen dazu, „Designer“-Projekte und –schaukeln zu realisieren, während die Bevölkerung ganz normale Rutschen und Schaukeln will. Warum soll man ihr nicht zuhören?
Es geht darum, die Handhabung gegenüber der Beteiligung zu öffnen, um das Geld besser und für das, was die Bürger – oder besser gesagt die Experten – wollen, auszugeben.
Ohne Strategie das Nichts
Jene Städte, die positiv auf die Herausforderungen der Beteiligung reagierten, konnten auf die Unterstützung und Führung durch die jeweiligen Bürgermeister zählen. Ihnen ist es gelungen, innerhalb der Verwaltungsstruktur Änderungen vorzunehmen, um die Teams, die für die Transparenz und die Beteiligung der Bürger zuständig waren, zu stärken und mit den übrigen Gemeindeabteilungen in Verbindung zu bringen. In diesem Zusammenhang darf man nicht vergessen, dass der Beteiligungsprozess nicht nur „Bürger-centric“ sondern auch „öffentlicher Beamter-centric“ sein muss, da das Problem bisweilen nicht darin besteht, Vorschläge von den Bürgern zu erhalten, sondern es zu verstehen, diese innerhalb der Gemeinde korrekt handzuhaben. Und schließlich ist es von wesentlicher Bedeutung, eine Haltung anzunehmen, die wendig und lean ist und es gestattet, die Kommunikationstätigkeiten und die anderen erheblichen KPIs ständig zu messen, um diese Handlungen zu korrigieren und zu verbessern. Damit die Stadt partizipativer und smarter wird.