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Die Anwendung der kollektiven Intelligenz im Ingenieurwesen
Die Erfahrung von TE.xTE.x ist ein Startup-Unternehmen, das mit dem Ziel gegründet wurde, innovative Ingenieur- und Architekturdienste anzubieten. Zu den Aspekten, die dieses Startup zu einem besonders fortschrittlichen Unternehmen machen, zählt ein neues Modell der Arbeitsorganisation, die sein Gründer, Ing. Maurizio Boi, als Kooperatives Ingenieurwesen bezeichnet. Wir haben dieses Thema näher mit ihm besprochen.
Das Kooperative Ingenieurwesen geht von den zahlreichen Studien zur kollektiven Intelligenz (oder Einfallsreichtum) aus. Auf welche Art und Weise werden die Prinzipien der kollektiven Intelligenz täglich beim Unternehmen TE.x und bei den von ihm geleiteten Projekten angewendet? Worin bestehen die Merkmale, durch die sich dieses Arbeitsmodell von jenen unterscheidet, die in herkömmlichen Ingenieurgesellschaften verbreitet sind?
Michael Nielsen (Physiker und Programmierer, sowie Autor wissenschaftlicher Werke) vertritt die Ansicht, dass für das Ingenieurwesen zwischen zwei Epochen unterschieden werden muss: die vor und die nach dem Network Engineering (N.E.). Derzeit befinden wir uns in der Übergangsphase in dieses zweite Zeitalter, einer Veränderung, bei der jedoch die Gefahr besteht, dass sie auf unregelmäßige Weise verläuft. Gesellschaften, die aus den traditionellen Methoden Profit geschlagen haben, behindern diese Umwandlung mit der Reglementierung des Systems, um diese Passage zu verhindern. Sie befürchten nämlich, dass sie den mittlerweile gefestigten Markt umkrempeln könnte und erschweren es dem N.E., sein echtes Potenzial zum Ausdruck zu bringen, da sie nicht verstehen, dass es eine echte Chance für alle darstellt. Ein offenerer Ansatz beim Entwerfen ist nicht nur eine außerordentliche Idee, es handelt sich vielmehr um eine Vorgangsweise, von der Ingenieure und Institutionen nicht absehen können.
Wir von TE.x unterscheiden uns von diesen Gesellschaften, da wir verstanden haben, dass die Online-Hilfsmittel die kollektive Intelligenz aktiv erweitern können. Wir haben die Vorteile erkannt, die deren Anwendung auf dem Gebiet des Ingenieurwesens in Sachen Projektqualität und Geschwindigkeit bei der Projektrealisierung mit sich bringt.
Für uns besteht der Vorteil der Online-Zusammenarbeit in ihrer „Skalierfähigkeit”, der Möglichkeit, den richtigen Experten zum richtigen Zeitpunkt auf einfache und rasche Weise zu finden, sowie qualifiziertere Fachleute als die, die auf lokaler Ebene ausfindig gemacht werden können. Dank unserem internationalen Experten-Netzwerk können wir uns mit der Person in Verbindung setzen, die über das notwendige Know-How verfügt und die man andernfalls nur schwerlich finden würde.
Wir haben herausgefunden, dass es einfacher ist, Spezialisten zur Teilnahme anzuregen, indem eine Online-Zusammenarbeit über Mikro-Kompetenz-Ansätze benutzt wird, und dank einem Algorithmus nur jene Fachleute herausgefiltert werden, die mit den zu dem Zeitpunkt notwendigen spezifischen Kompetenzen ausgestattet sind. Wenn die auf dieser Basis aufgebaute Gruppe groß und diversifiziert genug ist, erlangt sie in ihrer Gesamtheit ein größeres Talent als das jedes einzelnen Individuums.
Es liegt auf der Hand, dass es einfacher ist, diese „kostbaren Ressourcen” online und nicht offline zu entdecken. Wir von TE.x haben die effizientesten Attitüden herausgefunden, die bei open source Zusammenarbeiten eingesetzt wurden, um skalierfähig zu sein:
- Unermüdliches Engagement zum modularen Arbeiten, indem ausgetüftelte Kriterien angewendet werden, um den globalen Auftrag in einfachere Untertätigkeiten zu unterteilen;
- Ermutigung zu kleinen Beiträgen, indem die Eingangsbarrieren zum System reduziert werden, die mit der Schwierigkeit verbunden sind, Fachleute für zu umfangreiche Aufgaben zu gewinnen;
- Zustimmung zu einer bequemen neuerlichen Verwendung der Tätigkeiten, die die Experten den anderen Mitgliedern der Gruppe als Hilfestellung zur Verfügung stellen;
- Verwendung von Systemen, um die Arbeit der Experten auf einen bestimmten Beitrag und nicht auf andere zu konzentrieren, indem das Augenmerk auf die Punkte gelenkt wird, die am wichtigsten sind.
Zum Erreichen dieser Ziele wurde eine „multisided” Plattform aufgebaut, die die Interaktionen und die Zusammenarbeit unter den Teilnehmern vereinfacht.
Der Eintritt in CollEngWorld bedeutet, Teil einer internationalen Gruppe von Fachleuten und Gesellschaften aller Bereiche des Ingenieurwesens zu sein, wo das Online Networking dabei hilft, die eigenen Problemlösungsfähigkeiten zu steigern, indem man über Offline-Zusammenarbeitsmethoden hinausgeht und die Kollektive Intelligenz erweitert.
Heute verbreiten sich in Italien auch Entwurfshilfsmittel für Ingenieure, die den Fachmann dazu einladen, das Projektmanagement neu zu organisieren. Ein Beispiel dafür ist BIM – Building Information Modelling. Auf welche Weise stehen diese Hilfsmittel in Wechselwirkung mit dem Ansatz des Kooperativen Ingenieurwesens? Welche Erfahrungen hat TE.x in diesem Zusammenhang?
Das BIM-Modell ist das zweite Ich des realen Gebäudes, ein „digitaler Zwilling” dessen, was gebaut und in der Folge gehandhabt wird, der es ermöglicht, nicht nur die in den Bau involvierten Akteure miteinander in Verbindung zu bringen, sondern auch eine Unzahl an Fachleuten, Unternehmen und Gesellschaften, sowie die zukünftigen Benutzer selbst. Der Unterschied im Verhältnis zu den traditionellen Methoden ist wesentlich, da alle diese Berufsbilder nicht immer in den Prozess miteinbezogen waren und vor allem bisweilen das wesentliche Glied der Kette, nämlich die Benutzer, nicht einbezogen wurden, mit dem Risiko, dass ein Bauwerk errichtet wurde, das nicht gezielt auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet war.
Die Verwendung einer EDV-Plattform gestattet hingegen eine einfachere Organisation des Arbeitsflusses und eine raschere Kontrolle des Entwurfsfortschritts unter den verschiedenen Komponenten des Entwurfsteams. Um ein Projekt, das sich aus zahlreichen Fachbereichen des integrierten Ingenieurwesens und der Architektur zusammensetzt, auf die bestmögliche Weise zu verwalten, haben wir von TE.x uns entschieden, eine cloudbasierte EDV-Plattform zu verwenden, die eigens für den Bausektor entwickelt wurde und auf Ergebnisoptimierung ausgerichtet ist.
Mit diesem System ist es bei TE.x möglich, auf dem gesamten Projekt zusammenzuarbeiten, mit einer sicheren, kompletten Lösung, und über die unmittelbare Verteilung von Modellen und Dokumenten innerhalb der Firma und unter den externen Mitgliedern des Projektteams. Dieser Ansatz gestattet es überdies, die Informationen auf kontrollierte Weise mit den verschiedenen Projektmitgliedern zu teilen und eine erhebliche Anzahl von Dokumenten in jedem beliebigen Format und mit jeder beliebigen Dimension, sowie die entsprechenden Aktualisierungen zu handhaben. Auch die Überarbeitung der Dateien wird durch einen strukturierten Arbeitsfluss vereinfacht, in dem die Abgabetermine eingestellt sind und die Kontrolle der Überarbeitungen automatisiert ist. Diese Art der Organisation gestattet eine Reduzierung der Druckkosten um über 75% und man hat die Möglichkeit, die Projektunterlagen dank einfacher und schneller Recherchen zur Verfügung zu haben und sofort Einsicht zu nehmen.
Eine weitere Entwicklung des Systems, mit der wir bei TE.x derzeit experimentieren, besteht außerdem in der Schnittstelle zwischen BIM und einer Blockchain-Umgebung (B.C.), die Folgendes gestattet:
- Implementierung der dezentralisierten Zustimmungssysteme, die zur Validierung der wesentlichen Passagen der Planungs-, Ausführungs- und Wartungsprozesse des Bauwerks nützlich sind, wo die „proofs of work“ infolge automatischer Überprüfungen ausgestellt werden, was zur Aufhebung vieler Vermittlungsmechanismen beiträgt;
- dank smart contracts kann die mit dem Prozess verbundene Vergütung geregelt werden, da es möglich ist, den an den Tätigkeiten beteiligten Personen ihr Entgelt automatisch und in dem der erbrachten Arbeit entsprechenden Ausmaß zuzuweisen. Dies auch in den Fällen, in denen der erbrachte Auftrag in einer Mikrotätigkeit besteht;
- Aufzeichnung jeder bedeutenden Passage des Realisierungsprozesses mit den entsprechenden Daten (time stamping) auf unveränderbaren Datenträgern (dem ledger of things der B.C.), wodurch Hackerattacken verhindert werden, die die Auftragsdokumente beeinträchtigen könnten.
Die Plattform für die project collaboration umfasst daher in einer einzigen Umgebung das Projekt in seiner Gesamtheit und gestattet die Kanalisierung der Projektinformationen zu den direkten Betroffenen, wobei eine konstante, effizientere Kontrolle fortgesetzt wird, ohne dass dabei Informationen verlorengehen. Der Austausch der Unterlagen und Mitteilungen innerhalb der Plattform wird stets verfolgt und es bestehen keine Fehlermöglichkeiten. Dies ist ein wesentlicher Punkt, falls es zu gerichtlichen Streitsachen kommen sollte, da die Sendung, der Erhalt und das Lesen der Dokumente zertifiziert sind.
Sie gestattet außerdem die überaus einfache Verwendung der BIM-Modelle. Es ist nämlich möglich, die BIM-Modelle auf einfache Weise zu teilen, anzusehen, zu koordinieren, zu überarbeiten, zu kennzeichnen und abzufragen, wodurch das Erreichen hoher Qualitätsstandards und die Erzielung verschiedener Vorteile möglich ist. Dies für alle, die sie während der Planungsphase benutzen, vor allem aber auch für alle, die sie in der Verwirklichungs- und Verwaltungsphase des Bauwerks verwenden.
Welches der von TE.x verwirklichten Projekte repräsentiert das Modell für die Arbeitsplanung und –organisation, die das Startup charakterisieren, am besten? Wie wurde das Projektmanagement aufgebaut und welche Ergebnisse wurden erzielt?
Als Beispiel können wir einen wichtigen Rahmenvertrag für die Planung von Bauarbeiten nehmen, bezüglich derer sich die beauftragte Ingenieurgesellschaft an TE.x gewandt hat, um den Aufbau des Projektmanagements festzulegen. In diesem Zusammenhang war TE.x in der Lage, die Ressourcen herauszufinden, die mit dem verfügbaren Budget kompatibel waren, wobei das Budget aufgrund der „aggressiven“ Herabsetzung, die in der Ausschreibungsphase angeboten wurde, besonders beschränkt war. Anstatt auf die herkömmlichen Kanäle zurückzugreifen, setzte TE.x folgende Strategien zur Bereitstellung der Ressourcen ein:
- Innerhalb der Ingenieurgesellschaft wurde ein Projektmanager ausgemacht, der den gesamten Rahmenvertrag handhaben sollte. Es handelt sich um einen von TE.x ausgebildeten PM was die Verwendung der innovativen EDV-Hilfsmittel und die allgemeine Arbeitsphilosophie von TE.x anbelangt, damit er seine Aufgaben mit Hilfe der verfügbaren innovativen Hilfsmittel und Technologien erbringen konnte, wodurch er zu einer Art Digital Project Manager (DPM) wurde;
- Über die Collengworld-Plattform fand der DPM nach und nach mit der Konkretisierung der verschiedenen Anwendungsverträge den Auftrags-PM für jeden einzelnen Anwendungsvertrag heraus, der seinerseits – ebenfalls über Collengworld – für das work packaging sorgte, indem er die notwendigen Berufsbilder und das jeweils verfügbare Budget, sowie die Assets ausfindig machte, die zur Auftragsentwicklung notwendig sind;
- Es wurden die notwendigen Berufsbilder ausgemacht, und in Funktion des verfügbaren Budgets und der veranschlagten Entwicklungszeiten wurden die smart contracts finalisiert, die es gestattet haben, die Beziehungen zwischen PM, PE und allen involvierten Berufsbildern automatisch zu handhaben;
- Über die auf der Plattform Collengworld speicherresidenten Dashboards wurde dann der Auftragsverlauf über Indikatoren zur technischen Entwicklung, zu den Kosten und zur Einhaltung der zeitlichen Fristen in Echtzeit überwacht.
Diese Art der Arbeitsorganisation hat die Erzielung bedeutender Ergebnisse gestattet, wie die Steigerung der Produktionskapazität, was die Verwaltung von Anwendungsverträgen mit einer Höhe von über 3 Millionen Euro ermöglicht hat. Außerdem wurde eine Kostenreduzierung von etwa 30% erzielt, und zwar auch dank der drastischen Reduzierung der allgemeinen Kosten und der effizienteren Gestaltung des Produktionsprozesses. Und schließlich wurde eine Verbesserung des Zufriedenheitsgrads bei den Kunden im Verhältnis zu dem festgestellt, der normalerweise in den Fällen vorhanden war, in denen die traditionellen Projektmanagement-Techniken angewendet wurden.
