Foro Italico - Palermo
Foto: istock - Michael Luhrenberg
Resilienz-Vorkommen in Palermo
Ein Weg der Wiedergeburt, der die Arme Europas für das Mittelmeer ausbreitetWir haben das Zeugnis und die Reflexionen von Piero Pelizzaro in Sachen Resilienz in der Stadt Palermo zusammengestellt. Er ist als Forscher an der Universität für Architektur IUAV in Venedig im Forscherteam Planning Climate Change, als Berater für das Umweltministerium, Acclimatise UK, AzzeroCO2 und die Europäische Kommission sowie als Projektmanager für die Gemeinde Mailand tätig und Mitglied der Italienischen Gesellschaft für Klimawissenschaftler (SISC). Er ist mit der Wirklichkeit in Palermo besonders vertraut, da er der Stadt eine interessante Fallstudie in seinem letzten, zusammen mit Pietro Mezzi verfassten Buch mit dem Titel „La città resiliente. Strategie e azioni di resilienza urbana in Italia e nel mondo” (Die resiliente Stadt. Strategien und Tätigkeiten urbaner Resilienz in Italien und in der Welt“) gewidmet hat.
Ich erinnere mich an einen heißen Sommertag, einen Besuch bei meinen Großeltern in Altopiano d’Asiago, der sich in die erste echte Erinnerung verwandelt, in die erste tiefe Wunde, die in meinen Erinnerungen immer wieder zutage tritt. In Palermo explodiert eine Bombe, die zweite in wenigen Monaten, Richter Paolo Borsellino stirbt. Ich erinnere mich ganz deutlich, wie alles um mich plötzlich stillstand, meine Mutter und mein Vater, meine Großeltern und andere Gäste blicken wie versteinert auf die Bilder eines Fernsehens, das den Schmerz eines Volkes, eines Territoriums, Sizilien, und einer Stadt, Palermo, überträgt, die durch einen feigen Anschlag der Mafia verwundet wird. Wenige Monate vergehen, und mein Cousin und Fußballfan, mit dem ich mir die Spiele des Fußballvereins von Vicenza ansehe, wird zum Militärdienst nach Sizilien und Kalabrien einberufen, in die größte Militäroperation seit dem zweiten Weltkrieg.
Zwei Ereignisse, die mein Leben prägen werden, was mir jedoch erst Jahre später bewusst wird.
Dann kam es dazu, dass ich beinahe zwanzig Jahr später im Rahmen meiner Tätigkeit zur Messe Fai la Cosa Giusta nach Palermo geschickt werde. Mit dem Auftrag: Fahre nach Palermo und erzähle von den Klimaveränderungen und den erneuerbaren Energien.
Während der Reise grüble ich darüber nach, wie man Resilienz auf Sizilien anwenden kann. Die Ressourcen – Wasser, Energie, Boden/Landwirtschaft, Infrastrukturen, Abfälle – die im Zeichen der wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit aufgewertet werden sollten, zählen zu den Hauptinteressen der Mafia. Die Kontrolle der grundlegenden Dienste der Stadt stellt nämlich die einfachste Art und Weise dar, nicht nur die Menschen zu kontrollieren, sondern auch ihre Bedürfnisse und ihr Alltagsleben. Gleichzeitig kann sich genau hier die Gemeinschaft vom Joch der Mafia befreien, denn darin liegen die großen resilienten Fähigkeiten der sizilianischen Zivilisation und Kultur: das arabische Bauwesen, die Liebe zur Sonne, der Bedarf an Wasser und seine Aufbewahrung auf den Dächern, aber auch jener Wille, den Lauf der Geschichte zu verändern, indem die eigene Freiheit zurückerobert wird, dank der man sich mit der geteilten und leichten Mobilität – Bike Sharing und Car Sharing – ohne großartige Bauten bewegen kann.
Als ich an jenem Tag im Kulturviertel „Cantieri Culturali della Zisa“ ankomme, verstehe ich, dass sich im Gebiet einer Stadt, die vom Schmerz und von der Gewalt der Korruption entzweit wird, die Resilienz-Vorkommen einer Gemeinschaft verbergen, die nicht rachsüchtig ist, sondern den Wunsch hat, ein Netzwerk zu bilden und ihre wunderbarste Fähigkeit zu aktivieren: die Solidarität. Knotenpunkte, die aktiviert werden müssen und auf der Suche nach einem Autor sind; Autoren wie jene, die ich während der Debatte treffe: In der Klasse einer Oberschule in Palermo, die über die Einfachheit der Primzahlen noch vor mir die Resilienz gegenüber der ‚nachhaltigen‘ Mafia der fiktiven Windkraftanlagen und der Abfälle erklärt, die auf der Mülldeponie landen, anstatt recycelt zu werden. Melodie, reine Liebe, ganz einfach Resilienz.
An jenem Tag entsteht eine ganz besondere Beziehung zu Palermo, einer Stadt, die dank ihrer Menschen und ihrer natürlichen Anpassungsfähigkeit unerwartete Bindungen ins Leben ruft und Ressourcen in Bewegung bringt, die der Gemeinschaft auf natürliche Weise innewohnen. Jenes Palermo, das seit geraumer Zeit zusammen mit der Region Sizilien an zwei wesentlichen Fronten im Einsatz ist: Einerseits die Zurückgewinnung des Kulturschatzes und andererseits die Reduzierung des Gefälles bei den Infrastrukturen, vor allem in Bezug auf das öffentliche Transportsystem, die Abfallwirtschaft und die Vervollständigung des Kanalsystems.
Die neue Straßenbahn und die zukünftigen Transportlinien wie die neue Eisenbahn sind Projekte, die vor Jahren geplant und finanziert wurden; sie müssen nun rasch gebaut werden, um die öffentlichen Kofinanzierungsmittel nicht zu verlieren. Hierbei muss die Verwaltungsbehörde eine Resilienz beweisen, die im Verhältnis zu den möglichen Problemen im Zusammenhang mit der geringen Kenntnis des Unterbodens – wie zum Beispiel das archäologische und hydrologische Risiko – oder die technischen und finanziellen Fähigkeiten, die zur Verwirklichung der Bauwerke erforderlich sind, nicht nebensächlich sein darf. Da die Projekte alt sind, darf die Kommunikation zwischen den Bürgern und den lokalen Verwaltungseinrichtungen nicht unterschätzt werden, um Formen sozialer Proteste zu vermeiden.
Nachdem die Unesco den künstlerischen Wert des Kulturschatzes von Palermo anerkannt hat, ist die Stadtverwaltung in der Zwischenzeit bereit, sich für den Schutz dieser Güter einzusetzen, indem Fußgängerzonen eingerichtet und andere Lösungen für die Stadt angewendet werden, wie die Erneuerung vernachlässigter Gegenden, um Teilen der Stadt, die in Vergessenheit geraten sind, ihre historische und kulturelle Identität wieder zurückzugeben oder um das große Risiko von Überschwemmungen zu reduzieren.
Wenn diese Ziele nicht erreicht werden, dann wird es der Stadt schwerfallen, ihren in diesen letzten Jahren eingeschlagenen Weg zu vervollständigen.
Dem ist die Arbeit von Maurizio Carta und der Universität Palermo für den metropolitanen Küstenbereich der Stadt hinzuzufügen: Eine Ressource mit absolutem Wert, die den gebietsmäßig zuständigen Verwaltungseinrichtungen zur Verfügung gestellt wurde, um die Südostküste wiederherzustellen, und allgemeiner gesagt den gesamten Küstenstreifen des Golfs von Palermo, jene Strandpromenade, die in der Vergangenheit beliebtes Ziel von Malern und Intellektuellen war, ein ruhiger Ort, an dem man die Schönheit der Stadt, ihre unendlichen Gärten, ihr kristallklares Wasser, ihre Strände und das gemäßigte Klima bewundern und genießen kann.
Die größte Ressource jedoch, die Palermo aufwerten muss, ist jene Gemeinschaft, die noch heute versucht ist, angesichts der Lücken des Systems, deren Akteur sie ist, den Kopf in den Sand zu stecken, eine Gemeinschaft, die ihren Weg zur kulturellen Wiedergeburt nicht mit Blick auf Kopenhagen, Mailand oder London eingeschlagen hat, sondern auf jenes Mittelmeer, dessen natürliche Hauptstadt Palermo mit seiner zentralen Lage im Verhältnis zu den Küsten Europas, Nordafrikas und des Nahen Ostens ist, eine Gemeinschaft, der vor allem die Identität des Mittelmeers und des Nahen Ostens innewohnt.
Palermo treibt heute ein Projekt voran, das dem kontinentalen Europa nicht den Rücken zeigt, sondern das denjenigen, die an den Mittelmeerküsten ankommen, die Arme Europas ausbreitet. Ein Projekt, das die Schönheit und Arbeit von Frauen und Männern genießt, die sich ohne Wenn und Aber in den Dienst ihrer Stadt gestellt haben und mit jungen Leuten zusammenarbeiten, die die Welt kennenlernen möchten und die Palermo der Welt vorstellen möchten.
Für mich hat Palermo heute die große Chance, ausgehend von der Erinnerung und den jahrhundertealten Wunden einen Neustart zu wagen, die Wunden zu öffnen, um das lebenswichtige Blut jener Menschen freizugeben, die angesichts von Schwierigkeiten die Zähne zusammenbeißen und nicht nur das, die das Beste der eigenen Kreativität und der Kultur derjenigen einsetzen, die im Laufe der Jahrhunderte mit allen Dialog geführt haben.
