Illustration: Ale+Ale
Kann Resilienz erlernt werden?
Wege des gemeinsamen, verbreiteten Lernens zwecks Erziehung zu einer inklusiven GemeinschaftDer Begriff Resilienz stammt ursprünglich aus dem Bereich der physischen Wissenschaften. In der Psychologie steht er für die Fähigkeit eines Individuums zur Selbstreparatur, zur Rekonstruktion seines Lebens, wenn es Veränderungen oder Situationen des Leidens unterworfen ist.
Das bedeutet nicht nur, sich den Rückschlägen des Lebens, Widrigkeiten und Traumata widersetzen zu wissen, sondern auch die Fähigkeit zu finden, seinem eigenen Lebensprojekt wieder einen Sinn zu verleihen, das Leben ausgehend von den Schwierigkeiten selbst neu zu definieren, indem diese in Gelegenheiten der Anpassung und Veränderung verwandelt werden. Der Zweck besteht nicht darin, das Geschehene zu vergessen, sondern ihm einen Sinn und eine Bedeutung zuzuweisen, um es zu überwinden. Dieser Prozess ist imstande, Widrigkeiten in Gelegenheiten zur Erneuerung zu verwandeln, indem alternative Entscheidungen auf kreative Weise aktiviert und jene Entscheidungen aufgegeben werden, die unmachbar und widrig geworden sind.
Das Resilience Centre der Universität Stockholm hat sieben Prinzipien aufgelistet, die die sozio-ökologischen Systeme resilienter machen und die auf jedes beliebige Sozialsystem angewendet werden können. Eines davon unterstreicht die Wichtigkeit, dass innerhalb der Sozialsysteme zum Lernen angeregt wird, da sich diese Systeme ständig weiterentwickeln und ständig Veränderungen in Angriff nehmen und handhaben müssen, indem immer wieder ein neues Gleichgewicht aufgebaut wird.
Die Möglichkeit, Resilienz zu entwickeln, hängt nicht nur von den persönlichen Ressourcen und Eigenschaften ab, sondern auch von den Umständen, vom soziokulturellen und schulischen Umfeld, und vor allem von jenen Bezugspersonen, die in der Lage sind, Vertrauensverhältnisse aufzubauen: Resilienz ist das Ergebnis eines Wachstumsprozesses, die Auswirkung der Interaktion zwischen Individuum und Umfeld, in dem es sich befindet (das soziale Umfeld, das familiäre Umfeld usw.).
Das bedeutet, dass jedes Individuum Resilienz entwickeln kann; das heißt, es kann eine Erziehung zur Resilienz stattfinden, und zwar über den Ausbau ihrer wesentlichen Merkmale: Interaktionsfähigkeit, Kreativität, Autonomie. Eine Erziehung zur Resilienz bedeutet, die Fähigkeit zu verstärken, Schwierigkeiten, Veränderungen und Herausforderungen des Lebens in Angriff zu nehmen, wirksame Beziehungen mit den anderen einzugehen, auf traumatische Ereignisse kreativ zu reagieren.
Die Gelegenheit zur Verstärkung der Fähigkeiten, die resilient machen, gilt nicht nur für Menschen, die ein Trauma erlitten haben, sondern für alle Individuen. Die Erziehung zur Resilienz ist daher im Entwicklungsalter wünschenswert, aber auch während der verschiedenen Entwicklungsstufen, indem der affektive, kognitive und Verhaltensbereich angeregt wird, damit das Kind aus seinen Fehlern lernt und dabei auch lernt, sie in positive Handlungen umzuwandeln.
Ein Erziehungsvorschlag, der auf dem Dialog, dem Respekt vor dem anderen, der Förderung des freien Ausdrucks und des kooperativen Handels basiert, stellt ohne weiteres eine Form der Erziehung zur Resilienz dar, die vor allem dann sehr nützlich ist, wenn es um ein behindertes Kind oder im Allgemeinen um die schwächsten und verwundbarsten Kinder geht.
Gleich wie alle anderen Fähigkeiten kann Resilienz über Lernprozesse erworben werden, die auch durch die Bildungseinrichtungen unterstützt und gefördert werden müssen. Die Erziehung zur Resilienz bringt eine Verstärkung der Fähigkeiten mit sich und stellt daher ein Hilfsmittel zur Primärverhütung von psychopathologischem und sozialem Unbehagen dar.
Im schulischen Bereich bedeutet dies die Förderung von Tätigkeiten, die auf Zusammenarbeit, Hilfe und gegenseitigem Respekt basieren, sowie die Förderung von Projekten zugunsten der Sozialisation, des Lernens, der persönlichen Initiative, der Autonomie und der Kreativität.
Unter diesem Gesichtspunkt geht die Entwicklung der Resilienz Hand in Hand mit dem Inklusionsprozess, den jede schulische Gemeinschaft verfolgen muss, um volle Teilnahme und die höchstmögliche Entwicklung aller Mitglieder der Gemeinschaft zu garantieren. Es geht darum, allen Schülern unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Eigenschaften in sozialer, biologischer oder kultureller Hinsicht die Möglichkeit zu bieten, sich als echte Mitglieder der Gruppe wahrzunehmen und die höchstmögliche Lernstufe zu erreichen.
Für die Inklusion zu arbeiten bringt die Übernahme einer breiten und systemischen Perspektive mit sich, die dynamische Interaktionen zwischen den Individuen und den Zugehörigkeitskontexten fördert. Es geht nicht nur darum, das behinderte (verwundbare) Kind an den Kontext anzupassen, sondern auch darum, die Kontexte umzuwandeln, damit alle Personen die Möglichkeit haben, teilzunehmen und ihren Lernprozess zu verbessern.
Eine Schule dieser Art neigt zur Entwicklung der Resilienz und stellt eine erziehende Gemeinschaft dar.
Die Unterstützung der Entscheidung zur Inklusion behinderter Personen in die Gemeinschaft, und zwar ab den ersten Bildungsjahren, um dann in der Erziehung zur Resilienz zu gipfeln, hilft dabei, ihr bisheriges Leben und das ihrer Familienangehörigen zu ändern und verhindert das Entstehen der Gefahr einer Ausgrenzung.
Es handelt sich um Situationen, die durch ein Leben der Kämpfe gekennzeichnet sind, mit dem Ziel der verbessernden Umwandlung seiner selbst und der Gegenwart, angeleitet von der Hoffnung, aus diesem Kampf gestärkt hervorzugehen, sowie auf eine bessere Zukunft. Man lernt, kritische Situationen in Angriff zu nehmen und sie zu überwinden, indem man schmerzhafte Erfahrungen in Wachstums- und Lernchancen verwandelt.
Die Erziehung zur Resilienz ist daher gleichzeitig eine Erziehung zur Hoffnung, die – nachdem sie eine Projektion in die Zukunft und einen Ansporn zum Überwinden der Verwundbarkeit darstellt –sowohl mit der Resilienz als auch mit der Erziehung eng verbunden ist, der Verankerung mit der Gegenwart und Orientierung hin zur Zukunft.
