Ein breitgefächerter Dialog zwischen zwei Ingenieuren mit langjähriger Erfahrung.
Giovanni Battista Furlan, Präsident von NET Lab und NET Engineering International, und Javier Manterola, ordentlicher Professor an der Escuela Superior de Ingenieros in Madrid und Leiter von Carlos Fernandez Casado S.L. Oficina de Proyectos, konfrontieren sich zum Themenkreis Entwerfen, Kompetenzen, Aufwertung der Bauwerke und der Gebiete, die diese aufnehmen, vor allem aber zum Thema Austausch zwischen Spezialisten und Spezialismen, der heute immer notwendiger wird.
Was bedeutet es, die Raumplanung beim Entwerfen von Transportinfrastrukturen miteinzubeziehen?
G.B. Furlan: Die großen Transportinfrastrukturen oder die Hydraulikinfrastrukturen für die Schaffung künstlicher Stauseen sind Eingriffe, die sich unauslöschlich auf das Territorium auswirken. Es handelt sich um Bauwerke, die jahrhundertelang und bisweilen Jahrtausende lang überleben. Wenn man dabei einen Fehler macht, dann ist das eine permanente Straftat, die das Gebiet ruiniert. Die römischen Zenturierungen sieht man von den Satelliten aus und man sieht heute noch die Raumordnung, da es sich nicht um die einfache Einführung einer Straße handelte, sondern um eine vollumfängliche Trockenlegung. Der Bau der Straßen sah nämlich die Errichtung von Bauwerken für das Abfließen des Wassers vor und die Urbarmachung der Böden, die unbebaut waren.
J. Manterola: Ich gebe Giovanni Battista recht. Die Möglichkeiten, bei der Interpretation eines Ortes, an dem ein Bauwerk errichtet werden soll, Fehler zu machen, sind jedoch vielseitig und verändern sich im Laufe der Zeit. Zu unseren Gunsten spricht die Tatsache, dass der Ort im Laufe der Zeit das Bauwerk in sich aufnimmt und es im Endeffekt in etwas Natürliches umwandelt. Mit der Zeit korrigiert die Natur viele unserer Fehler, auch wenn es immer Fehler gibt, die nicht korrigiert werden können. Und diese Fehler müssen wir mit einer Überfülle an Interpretationen der gegebenen Fakten vermeiden.
Die einzelnen Fachkompetenzen sind nicht in der Lage, geeignete Antworten auf die komplexen Probleme zu liefern, die durch die vom Menschen aufgebaute Umwelt verursacht werden. Welche Merkmale müssen die nächsten Ingenieurgenerationen entwickeln, um zur Handhabung immer breitere gefächerter Entwurfsgruppen fähig zu sein?
GBF: Wir können nicht alle Regisseure sein: die Brücke muss gemacht werden und sie muss gut gemacht werden! Es ist Platz für alle. Zu dem Zeitpunkt, an dem man sich vornimmt, Ingenieur und Koordinator zu werden und daher fähig zu sein, den Beitrag der verschiedenen Fachleute zu ergänzen und zu optimieren, weiß man, dass man zum Gespräch mit anderen Kompetenzen imstande sein muss, die sich von den eigenen unterscheiden. Ausgangspunkt ist nämlich die Allgemeinbildung: man muss eine hohe kulturelle Sensibilität aufweisen, um in der Lage zu sein, eine umfangreichere Sichtweise zu handhaben, die unbedingt mit Demut verbunden sein muss, denn wenn man nicht demütig ist, dann kann man nicht zuhören. Ich habe eine humanistische Grundbildung als Basis und bin stolz darauf, da sie mir eine Reihe von Anregungen und eine unendliche Neugier mitgegeben hat. Es gibt kein Thema, dem ich nicht neugierig gegenüberstehe. Das gestattet es einem, jedem zuzuhören, und wenn man etwas nicht weiß, ist man trotzdem in der Lage, die Verbindungselemente zu finden, die die Aufrechterhaltung des Dialogs gestatten. Wer jedoch eine rein humanistische Bildung hat, kann nicht zum Leiter einer Gruppe für technische Entwürfe werden, weil er auch die erforderlichen technischen Kenntnisse aufweisen muss, um die Arbeit derer, die er koordiniert, voll und ganz zu verstehen. All das muss durch eine solide Projektmanagement-Kompetenz ergänzt werden, da die Koordinierung eines Projekts auch bedeutet, ganz konkrete Dinge wie die Kosten und die Zeiten zu handhaben, die zum Erreichen der Ziele erforderlich sind. Kurz gesagt: Der Regisseur kann kein Dichter sein, er muss die Dichter jedoch verstehen.
JM: Es ist sehr schwierig, vorab zu sagen, wie die zukünftigen Ingenieure auszubilden sind. Es ist sehr positiv, dass eine Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Personen existiert, Ingenieuren oder sonstigen, die eine einheitliche Version von dem liefern können, was gemacht werden muss. Was die Wirksamkeit der Entscheidungen anbelangt, die von unterschiedlichen Gruppen getroffen werden, hege ich Zweifel. Ich glaube ziemlich fest an das Talent der Personen, doch dass es einem alleine gelingt, einen Projektvorschlag zu erstellen, ist schwierig, denn die Anzahl der Variablen, die eine Person so verwalten muss, dass sie – geordnet und organisiert – zu einer konstruktiven Antwort führen, ist enorm hoch. Meiner Meinung nach sind wir nicht imstande zu wissen, worin der beste Weg liegt. Wie universal und sensibel auch immer diese Kenntnisse sind, er wird immer unvorhersehbar sein.
Wie können wir die BIM-Methode (Building Information Modelling) verwenden, um den Dialog zwischen den verschiedenen, in das Projekt involvierten Fachleute zu vereinfachen, damit ihnen ein konstruktiver und dynamischer Austausch möglich ist?
GBF: Streng genommen ist das BIM an und für sich weder notwendig noch ausreichend, es ist jedoch ein Hilfsmittel, das, wenn es angewendet und sein außerordentliches Potenzial voll und ganz ausgeschöpft wird, in der Lage ist, einen echten Paradigmenwechsel bei der Verwaltung komplexer Projekte hervorzurufen. Das BIM ist ein Verwaltungsprotokoll für Projektelemente, die eigene Merkmale haben müssen. Das BIM verleibt die unterschiedlichen Beiträge in ein System ein, das die Verfolgung des Projektvorgangs vom Anfang bis zum Ende gestattet, ohne dass irgendeine Information auf dem Weg verloren geht, aber das BIM selbst plant nicht! Wichtig ist, sich bewusst zu sein, dass man nicht unter einer Glasglocke isoliert vom Rest der Welt plant, sondern dass man Teil einer komplexen Gesamtheit ist und dass daher eine unendliche Vielzahl und ein Reichtum an Kompetenzen erforderlich ist, da die Probleme, mit denen die Planung der Infrastrukturen aufwartet, nicht von einem einzelnen Entwerfer gelöst werden können. Das BIM ist die Umgebung, die den Dialog mit dieser ganzen Vielzahl neuer Personen gestattet, die zu Protagonisten der gemeinsamen Planung werden. In diesem Sinne kann es eine organische Vision von Gruppe innerhalb eines größeren und komplexeren Kontexts begünstigen, der es möglich macht, dass das Infrastrukturprojekt zum Wachstum und zur Aufwertung des Gebiets beiträgt.
JM: Ich glaube, dass diese Frage die Fortsetzung der vorherigen Antwort gestattet. Zu denken, dass es Systeme wie das BIM gibt, die uns alle unsere Probleme mit Genauigkeit und Eleganz lösen werden, ist nichts anderes als das Spiegelbild eines Willens, dessen Ziel in der Perfektion besteht – und das ist unmöglich. Es ist klar, dass die Probleme enorm komplex sind und dass das BIM nichts anderes als ein weiterer jener Vorgänge ist, von denen wir glauben, dass sie zu einem guten Ergebnis führen werden. Und das ist nichts anderes als eine Absicht.
Vor kurzem wurde eine neue Brücke in Bari eröffnet; dank ihrer Form, die durch die Anwendung einer fortschrittlichen technischen Lösung erhalten wurde, wird sie für die Stadt einen wichtigen symbolischen Wert haben. Wie kann die ästhetisch-künstlerische Eigenschaft des technischen Manufakts beim Gruppenentwurf aufgewertet werden? Sind wir etwa dabei, die kulturelle Dimension zu verlassen, die mit der Renaissance eingeleitet wurde, und bei der sich die künstlerische Produktion mit der individuellen Genialität deckt?
GBF: Wir verlassen sie nur teilweise, denn wir sollten versuchen, die individuelle Genialität, die dieses goldene Zeitalter gekennzeichnet hat, vom modernen Standpunkt aus neu zu interpretieren. Damals produzierte der humanistische Künstler sein Werk einschließlich der von seinem Auftraggeber auferlegten Einschränkungen, wobei er in sich selbst sämtliche notwendigen Ressourcen fand oder höchstens auf die Hilfsdienste der Gesellen in der Werkstatt (seiner Glasglocke) zurückgriff. Jetzt ist das nicht mehr so: der Entwerfer/Künstler/Schöpfer verwirklicht sein Werk sicherlich mit dem primären Ziel, den Auftrag seines Auftraggebers mit seiner Fähigkeit und mit seinem Talent zu erfüllen: er verwendet dazu jedoch alle Beiträge aller betroffenen Interessengruppen, indem er sie mit seinem „Genie“ harmonisiert. Das Neue, das fortschreitet, komprimiert die Qualitäten des Entwerfers/Künstlers/Schöpfers nicht, im Gegenteil, es unterstreicht sie und hebt die Messlatte für sein Engagement auf vorher noch nie gesehene Höhen, berücksichtigt man das umfangreiche und vielfältige Parkett, von dem er Zustimmung und Anteilnahme erhalten muss. Seine Glasglocke erweitert sich, indem sie die Wände der Werkstatt niederreißt und die gesamte involvierte Welt mit einschließt, die physische, soziale, wirtschaftliche, politische Welt und die Umwelt.
JM: Ich glaube, dass die Schönheit eines technischen Bauwerks ausschließlich in der Technik selbst und in ihrer Geschichte ihre Grundlage hat. Alles, was heutzutage als schön betrachtet wird, hängt von der Haltung ab, die die Ingenieure während der zweiten industriellen Revolution im 19. Jahrhundert eingenommen haben. Die Ingenieure haben es richtig gemacht, denn sie begannen ihr Werk nicht, indem sie sich die Steinbauten der Architekten ansahen, sie begannen von null an, ohne zurückzublicken und Werke zu imitieren, die mit anderen Materialien gebaut worden waren. Die Schönheit, die die Technik dem 20. Jahrhundert und den folgenden Jahrhunderten übergeben hat, geht von Fragen aus, die sich die Ingenieure gestellt haben und auf die sie ausgehend von der Art und Weise, auf die ihre Arbeit ablief, beantwortet haben. Sie haben nicht um sich geschaut. Die Renaissance hat das gleiche getan. Sie hat alles, was aus der Gotik kam, eliminiert und mit Hilfe der Geschichte begonnen, auf selbständige Weise zu denken. Und ich glaube, das ist das, was wir tun müssen. Komplett in die eigene Geschichte eintauchen, in der Hoffnung, dass die Ergebnisse eine gute Sache sind und sich an die gute Sache an sich anpassen werden. Meiner Meinung nach kann das schwerlich das Ergebnis der Handlung einer Gruppe sein.